Wenn Inge Günther den Konflikt zwischen Israel und den „Palästinensern“ schildert, ist gewiß, wen sie verantwortlich macht dafür, daß es im „Friedensprozeß“ keinen Fortschritt gibt. Und so war auch in dieser Woche in der Frankfurter Rundschau zu lesen, worin denn Israels jüngste Sünde besteht:
„Kaum ist US-Nahostvermittler George Mitchell wieder in Jerusalem eingetroffen, gibt es neuen Krach zwischen Israelis und Palästinensern. Auslöser ist eine Bemerkung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu. Der hatte Mittwochabend vor der Auslandspresse zwar betont, ‚ich bin zum Frieden bereit‘, aber sein bedingtes Ja zu einer Zwei-Staaten-Lösung weiter eingeschränkt. [..]
Israel sei schon jetzt umgeben von einem ‚wachsenden Arsenal an Raketen‘, insbesondere in Gaza und Libanon. ‚Wir können es uns nicht leisten‘, so Netanjahu, ‚dass diese Bedrohung das Zentrum unseres Landes erreicht.‘ Daher werde er in einem Friedensvertrag mit den Palästinensern auf eine israelische Präsenz auch östlich ihrer Grenzen bestehen.“
Den Wunsch Israels danach, von seinen Nachbarn nicht mit Raketen beschossen zu werden, kann Inge Günther nicht nachvollziehen. Erklärt Benjamin Netanjahu, „Israel [müsse] die Ostgrenze eines künftigen palästinensischen Staatsgebildes in jedem Fall kontrollieren, um Waffenschmuggel [..] zu verhindern“, weiß sie deshalb, „dass Israel die Kontrolle über das Jordantal behalten will.“
Mit dieser unbelegten Unterstellung herrscht in Inge Günthers Welt wieder Ordnung und Israel steht am Pranger. Die israelische Regierung muß dabei wie vermutlich auch jede andere dafür sorgen, terroristische Gefahren von der eigenen Bevölkerung abzuwenden. Und der einseitige Rückzug aus Gaza erhöhte Israels Sicherheit nicht.
Erst die Operation Cast Lead und ein strenges Grenzregime sorgten für etwas Entspannung im Süden des Landes, der aber noch immer mit Raketen angegriffen wird. Es gibt also gute Gründe dafür, daß Benjamin Netanjahu darauf besteht, durch den Einsatz eigener Kräfte Waffenschmuggel in die Gebiete der PA möglichst zu unterbinden.
Daß auf internationale Kontrolleure kein Verlaß ist, zeigt dabei die Entwicklung im Libanon, wo unter internationaler Aufsicht jene Hisbollah entwaffnet werden soll, der die Regierung in Beirut aber gerade die Aufrüstung ausdrücklich gestattete. Und wie Hisbollah und Hamas hat sich die Fatah weder von Gewalt losgesagt noch ihr Ziel aufgegeben, ganz „Palästina“ zu „befreien“.
Mit solchen Hintergründen will Inge Günther ihre Leser nicht langweilen. Deshalb blendet sie zielgenau auch alles aus, was ihr Publikum nachdenklich stimmen könnte. Zweifel stören dessen wie ihr eigenes Feindbild nur; und daher läßt die bestimmt objektive „Israelkritikerin“ aus, was Abu Mazen sich wünscht – und zwar nicht nur von Israel:
„Palestinian Authority President Mahmoud Abbas announced on Tuesday that the Palestinians won’t resume peace talks with Israel unless the international community recognized the 1967 borders as the boundaries of a Palestinian state and unless Israel halted all construction work in the settlements, including eastern Jerusalem.“
Könnte diese Vorbedingung des „Palästinenserpräsidenten“, dem im übrigen jede demokratische Legitimation fehlt, ein Hindernis sein für den „Friedensprozeß“? Sicher ist: Wer die Forderung verschweigt, muß diese Frage weder sich stellen noch dem Leser beantworten. Als guter deutscher Nahost-Journalist gilt, wer weder sich mit Fakten überfordert noch die Leser.
Damit allerdings ist Abu Mazens Forderung nach einer internationalen Anerkennung der Grenzen von 1949 einzig aus der Welt der deutschen Berichterstatterin, nicht aber aus der realen verschwunden. Die Waffenstillstandslinien sollen selbstredend nur für Israel als Grenze gelten, nicht für die „Palästinenser“. Daran erinnern immer wieder Raketen aus Gaza.
Doch auch im historischen Rückblick müssen aus israelischer Sicht diese „Vorkriegsgrenzen“ als unsicher gelten. Sie hielten die Araber und die erst nach 1967 entdeckten „Palästinenser“ jedenfalls nie davon ab, Israel auslöschen zu wollen. Immerhin gibt es jetzt Friedensverträge mit Jordanien und Ägypten – nicht aber mit Fatah oder Hamas.
Über endgültige Grenzen soll denn nach allen Abkommen, welchen die PLO/Fatah zustimmte, in Verhandlungen gesprochen werden, sie sollen ja gerade das Ergebnis von Gesprächen sein und nicht deren Voraussetzung. Israel kann also auf diese „palästinensische“ Forderung nicht eingehen, und die internationale Gemeinschaft, an die sie sich richtet, tut dies ebenfalls nicht.
Und selbst wenn dafür der israelischen Regierung – obgleich sie ja gerade internationale Verträge einhält – Vorwürfe gemacht werden sollten, so müßten diese redlicherweise auch der internationalen Gemeinschaft gelten, die (noch) den Anstand besitzt, sich wenigstens hier geschlossen einer Neuauflage der ‚Lösung Kosovo‘ zu widersetzen.
Was haben diese Überlegungen mit Inge Günther zu tun? Nichts. Die „Journalistin“ erspart sie sich und ihrem Publikum, das diese Art „Journalismus“ offenbar goutiert. Wichtig sind sie aber dennoch, denn indem sie die Grenzziehung einfach vorziehen wollen, versuchen die „Palästinenser“ die Erfüllung einiger Verpflichtungen zu umgehen, zu denen sie sich vertraglich verpflichtet haben, darunter die Entwaffnung ihrer Terroristen.
Die Regierung des Fatah-Anführers Abu Mazen will auf diese Weise die internationale Gemeinschaft schlicht erpressen, die sie dazu durchaus ermuntert, wenn sie immer wieder von Israel – und eben nur von Israel – Zugeständnisse verlangt, und beweist der israelischen Regierung so zugleich, daß für Israels Sicherheit gerade nur Israel sorgen kann – etwa durch die erwähnten Grenzkontrollen.
Da für Inge Günther, die freilich nicht die einzige deutsche „Journalistin“ ist, die sich von Ressentiments mehr leiten läßt als von der Realität, aber „Palästinenser“ nur als Opfer denkbar sind, findet sie mit dem Antisemiten Saeb Erekat Israels Position „absolut unakzeptabel“ und begräbt sie die Wahrheit, damit die israelische Regierung wunschgemäß ein „giftiges Klima“ schaffen kann.