Auch wenn die deutschen Eliten gern erklären, für Antisemitismus sei kein Platz in ihrem schönen Deutschland, so sind sie es doch, die in immer wieder und darüber immer weiter hoffähig machen. Alle Jahre etwa trifft sich, was Rang hat und Namen in Deutschland, im bayerischen Bayreuth, um ein »Genie von Weltrang« zu feiern, wie Horst Seehofer, derzeit Heimatminister, einmal sagte.
Es geht um Richard Wagner, einen Antisemiten, der aus seinem Haß auf Juden nie ein Geheimnis machte und der nicht bloß ein »Mitläufer« war, der dem Zeitgeist nicht widerstehen wollte, sondern ein lauter Hetzer, der den Ton angab. Seine Schriften bildeten »das Scharnier, das die christliche Judenfeindschaft der Vergangenheit mit dem rassistischen Antisemitismus der Zukunft verband«.
Und doch pilgerten sie auch in diesem Jahr wieder nach Bayreuth, die Regierungschefin Angela Merkel ebenso wie der Oppositionspolitiker Christian Lindner, der das Ereignis nutzte, seine neue Lebenspartnerin vorzuführen, der »Fernsehstar« Thomas Gottschalk oder der Schauspieler Udo Wachtveitl. Natürlich, sie kamen nicht, einer Lesung aus »Das Judenthum in der Musik« zu lauschen.
Sie genossen den »Lohengrin« und waren nicht weniger begeistert über die Aufführung als Friede Springers Welt. Vor ein paar Wochen war dort zu lesen, wie Christian Thielemann, der in Bayreuth dirigierte, sich das »Genie« schönredet: »Bei ihm ist es ja so, dass die vielen Versuche, seinen Antisemitismus auch innerhalb seiner Musik und seinen Werken nachzuweisen, nicht gelungen sind.«
Und daher gelte, »Person und Werk muss man voneinander trennen«. Muß man? Als Richard Wagner seine zuvor anonym publizierte Schrift »Das Judenthum und die Musik« unter seinem Namen neu herausbrachte, hatte er ihre antisemitischen Passagen noch einmal verschärft. Doch ausgerechnet sein musikalisches Schaffen soll unbeeinflußt geblieben sein vom Geist, der ihn dazu antrieb?