Am vergangenen Freitag zogen etwa 100 – manche Quellen sprechen von bis zu 300 – Rechtsextremisten durch Dortmund, um lautstark einen »nationalen Sozialismus« zu fordern. Die lokale Polizei, die nach eigenen Angaben allenfalls zu Dokumentationszwecken vor Ort war, schritt nicht ein, als die Nazis bekundeten, »wer Deutschland liebt, ist Antisemit«, wie Videoaufnahmen belegen.
Gespenstischer aber noch als der Aufmarsch der Anhänger von »Volk, Rasse und Nation« war die Reaktion der Politik. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hüllte sich in Schweigen, während das Innenministerium in Berlin auf Nachfrage des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck auf Twitter mit Verweisen auf ältere Aussagen von Minister Horst Seehofer (CSU) antwortete.
In einer der zur Lektüre empfohlenen Pressemitteilungen feiert sich das von dem bayerischen Unionspolitiker geführte Ministerium sinnigerweise für Zuwendungen an den Zentralrat der Juden in Deutschland, mit denen ausdrücklich dessen »Engagement gegen Antisemitismus« gestärkt werden solle. Das erklärt vielleicht, weshalb sich niemand zu einer aktuellen Stellungnahme aufraffen mochte.
Offen gezeigter Antisemitismus ist, scheint’s, höchstens dann ein Thema für Landes- oder Bundespolitiker, läßt er sich gegen Migranten instrumentalisieren. Ansonsten ist der Antisemitismus Sache der Juden, die man dafür ja schließlich bezahlt. Beinahe muß man den Patrioten von Dortmund dankbar sein: Ihr Aufmarsch hat die Sonntagsreden der Politik als das Geschwätz entlarvt, das sie sind.