Berliner Diktat

Groß war die Aufregung in Deutschland, als zum Jahreswechsel ein prompt von den nationalen Medien als »Drohbrief« bezeichnetes Schreiben des US-Botschafters an Unternehmen ruchbar wurde, in dem Richard Grenell vor einer Beteiligung an der Ostseepipeline »Nord Stream 2« warnte. Das Projekt, erklärte der amerikanische Diplomat, untergrabe »die Sicherheit der Ukraine und Europas«.

»Fragen der europäischen Energiepolitik müssen in Europa entschieden werden, nicht in den USA«, empörte sich darauf Heiko Maas, der Außenminister Angela Merkels, und verbat sich die angebliche Einmischung aus Washington. Pech nur für den Sozialdemokraten, daß »in Europa« nicht heißt »in Berlin«: Mit Frankreich stellte sich nun ein enger Verbündeter Deutschlands gegen das Projekt.

Paris verleiht damit den Einwänden der osteuropäischen und baltischen Staaten, der dänischen Regierung, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments gegen »Nord Stream 2« neues Gewicht. Sie alle sehen die Pipeline als ein »politisches Projekt [..], das die europäische Sicherheit und die Bemühungen um eine Diversifizierung der Energieversorgung« gefährden könne.

Mit der französischen Entscheidung, die Martin Schulz, ein Parteifreund Heiko Maas’, prompt als »ein Einknicken auch gegenüber den USA« denunzierte, setzt Paris ein willkommenes Zeichen gegen den Berliner Chauvinismus, gegen ein von Berlin geführtes Deutschropa. Ob dort die Lektion auch mit Blick auf mögliche Nachverhandlungen über »Nord Stream 2« gelernt wird, bleibt fraglich.