Sechs Wochen nach den vorgezogenen Wahlen zur 21. Knesset könnte Israel wieder kurz vor Parlamentswahlen stehen. Zwar ging das rechte Lager gestärkt aus der Wahl am 9. April hervor, Premier Benjamin Netanjahu ist es dennoch nicht gelungen, eine Koalition zu schmieden, die ihm den Amtserhalt ermöglicht. In der Nacht zum Donnerstag läuft die verlängerte Frist zur Regierungsbildung ab.
Die bisherigen Koalitionsverhandlungen prägte vor allem der Wunsch des Likud-Politikers, einen politischen Ausweg aus dem gegen ihn laufenden Verfahren wegen des Verdachts auf Korruption zu finden. Hat sich Benjamin Netanjahu zweifellos um Israel verdient gemacht, beschädigt er mit dieser Schwerpunktsetzung nicht nur den eigenen politischen Ruf, sondern auch den des Rechtsstaats.
Gerade in Demokratien stehen auch und gerade Amt- und Mandatsträger nicht über dem Gesetz. Sie genießen als solche zwar durchaus einen gewissen Schutz vor Strafverfolgung – Immunität und Indemnität -, die können aber von Parlament oder Präsident aufgehoben werden, um der Justiz ihre Arbeit zu ermöglichen. Benjamin Netanjahu greift aus persönlichen Gründen diese Gewaltenteilung an.
Demonstrierten am Wochenende aus diesem Grund Zehntausende in Tel Aviv gegen den amtierenden Premier, traten sie in der Tat ein für die jüdische Demokratie, die zu verteidigen freilich allererste Aufgabe eines jeden demokratischen Politikers sein sollte. Benjamin Netanjahu geht es hingegen inzwischen leider nur noch um sich selbst. Den Zeitpunkt, in Würde zu gehen, hat er verpaßt.
Sollten seine Bemühungen um eine Koalitionsbildung in dieser Woche scheitern, hätte er nach ersten Umfragen in Neuwahlen durchaus wieder Chancen. Gerüchte über ein Gesetz zur Auflösung der erst gewählten Knesset sind daher wohl mehr als bloß Hirngespinste. Das Ende der politischen Karriere Benjamin Netanjahus dürfte dadurch allerdings nur noch unrühmlicher werden. Schade.