»Was wäre Bayreuth ohne die Kanzlerin?« wollte am Dienstag Die Welt wissen, um sogleich zu verkünden, daß die Frage auch 2019 ohne Antwort bleibt: »Angela Merkel gehört auch in diesem Jahr zusammen mit ihrem Mann wieder zu den Premierengästen« der Ende Juli beginnenden Bayreuther Festspiele, eines »Marathons« des »Respekt[s] vor dem einzigartigen Schaffen Richard Wagners«.
Mit ihrem Besuch der Bayreuther Festspiele werden neben der deutschen Kanzlerin auch einige Minister ihres Kabinetts, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sowie weitere mehr oder weniger Prominente erneut vorführen, daß Antisemitismus in Deutschland zuhause ist. Denn Richard Wagner war ein glühender Antisemit, der rasende Haß auf die Juden prägte sein gesamtes Schaffen.
Zwar gibt es auch Stimmen, die sich ihren »tiefgründigen Respekt« schönzureden versuchen, indem sie erklären, man müsse doch trennen zwischen Person und Werk. Für die ehemalige CDU-Vorsitzende freilich kann diese ohnehin nur allzu billige Ausrede jedoch gewiß nicht (mehr) gelten, seit im Frühjahr 2019 im Kanzleramt in Berlin die Bilder des Malers Emil Nolde abgehängt wurden.
Der Künstler war – als Person – ein begeisterter Nationalsozialist, der aus seinem Haß auf Juden erst dann ein Geheimnis zu machen versuchte, als sein geliebtes Reich bedingungslos hatte kapitulieren müssen. Emil Noldes Bilder allerdings galten vor 1945 als »entartet«, ein Attribut, mit dem Richard Wagners in der Tat schreckliches »einzigartiges Schaffen« wohl niemals ernsthaft belegt wurde.
Doch wer Emil Noldes Bilder abhängen läßt – selbst wenn die Initiative dafür nicht von Angela Merkel ausging, ging ihr Kanzleramt doch nicht gegen Überschriften vor, die genau das behaupteten: »Angela Merkel hängt Bilder von Nolde ab« -, weil der als Person war, wer er war, der kann nicht Richard Wagners Schaffen feiern, ohne damit zugleich den zu meinen, der dafür verantwortlich ist.