Der israelische Präsident Reuven Rivlin hat nach Beratungen mit Vertretern der in der Knesset vertretenen Parteien am Montag etwas früher als erwartet bekanntgegeben, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Seine Entscheidung fiel auf den Oppositionspolitiker Benny Gantz, eine Wahl, die ebenfalls nicht unbedingt erwartet worden war, gleichzeitig aber nicht völlig überraschen kann.
Der Spitzenkandidat von Blue and White hatte mit 61 Empfehlungen von Abgeordneten im israelischen Parlament einen freilich denkbar geringen Vorsprung vor Amtsinhaber Benjamin Netanjahu, der auch aus der Parlamentswahl vor zwei Wochen als Sieger hervorgegangen war. Empfehlungen sind indes noch keine fest für die Wahl des Ministerpräsidenten in der Knesset zugesagte Stimmen.
Um die muß Benny Gantz nun in der 23. Knesset in der israelischen Hauptstadt werben, deren Abgeordnete am Montag in Dreiergruppen vereidigt wurden – ein Tribut an Corona-Virus wie -Hysterie. Dabei steht Benny Gantz vor der Entscheidung zwischen einer Abmachung mit dem arabischen Wahlbündnis Joint List und einer Koalition mit dem konservativen Lager um Benjamin Netanjahu.
Während letztere Option wohl eine relativ stabile Regierung garantieren würde, wollen die Abgeordneten der Joint List sich nach ihren bisherigen Bekundungen allenfalls darauf einlassen, eine von Benny Gantz geführte Minderheitsregierung zu stützen. Damit begäbe er sich dann auch in die Abhängigkeit von Aida Touma-Sliman, die jüngst mit antisemitischen Gerüchten gegen Israel hetzte.
Doch auch eine Zusammenarbeit mit dem »rechten« politischen Lager wäre nicht ohne Tücken: Inhaltliche Differenzen könnten vermutlich irgendwie überbrückt werden, mindestens so tief wie breit allerdings ist jedoch der Graben zwischen dem wegen Korruption angeklagten Amtsinhaber Benjamin Netanjahu und dem Herausforderer. Schwer vorstellbar, daß es hier zum Zusammengehen kommt.
Benny Gantz jedenfalls hat angekündigt, »innerhalb von Tagen« eine Regierung vorstellen zu wollen, die die Interessen aller Bürger Israels spiegele, mit der sich die arabische Minderheit im Land ebenso identifizieren könne wie die Bewohner in den Outposts. Man darf gespannt sein, ob es ihm – vielleicht sogar mit »Hilfe« durch das Virus – tatsächlich gelingt, dieses Versprechen einzuhalten.