Der amtierende israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat seinem Herausforderer Benny Gantz und dessen Parteienbündnis Blue and White am Wochenende die Bildung einer auf drei Jahre angelegten Einheitsregierung angeboten, deren Führung sich beide Politiker teilen: In den ersten 18 Monaten will der Likud-Politiker Regierungschef bleiben, danach soll Benny Gantz übernehmen.
Benjamin Netanjahu regiert seit zwölf Monaten, in denen drei Knesset-Wahlen stattfanden, ohne eigene parlamentarische Mehrheit. In der vergangenen Woche sollte nach langwierigen Ermittlungen der Prozeß gegen den Likud-Politiker eröffnet werden, dem in mehreren Fällen Korruption vorgeworfen wird. Der Prozeßbeginn wurde aber unter Berufung auf das Corona-Virus kurzfristig vertagt.
Gleichzeitig sagte in der letzten Woche Knesset-Sprecher Yuli Edelstein, ein Vertrauter Benjamin Netanjahus, die erste Zusammenkunft des Anfang März gewählten Parlaments ab – wiederum unter Berufung auf die vom Corona-Virus ausgehenden Gefahren – und verhinderte damit die Konstituierung wichtiger parlamentarischer Gremium. Ein Vorgang, den Präsident Reuven Rivlin öffentlich rügte.
Hätte Benjamin Netanjahu in der Vergangenheit nicht alles unternommen, die gegen ihn laufenden Ermittlungen zu ver- oder behindern und zu diskreditieren, wären nicht schon die Neuwahlen im April 2019 herbeigeführt worden, um nach dem erhofften Wahlsieg Gesetze zu beschließen, die einem Premier Immunität vor Strafverfolgung gewähren würden, könnte man das alles für Zufall halten.
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den vergangenen zwölf Monaten aber scheint es nicht allzu abwegig, daß Benjamin Netanjahu die durch das Virus ausgelöste Krise in seinem Sinn auszunutzen versucht. Präsident Reuven Rivlin hat Benny Gantz mit der Regierungsbildung betraut. Der sollte die Initiative nicht Benjamin Netanjahu überlassen und dessen Offerte daher zurückweisen.