Fehlstart

Nachdem die für Donnerstag angekündigte Vereidigung Benjamin Netanjahus als neuer Premierminister Israels kurzfristig verschoben wurde, soll die Likud-Politiker nunmehr am Sonntag sein altes neues Amt antreten. Nach mehr als einem Jahr, in dem er Israel »nur« amtierend regierte, bekommt das Land wieder eine Regierung, die von einer Mehrheit der Knesset-Abgeordneten getragen wird.

Und auch wenn es nach drei vorgezogenen Parlamentswahlen innerhalb von zwölf Monaten an der Zeit war dafür, mag doch keine rechte Freude darüber aufkommen, daß mit Benjamin Netanjahus Vereidigung in den Mittagsstunden die politische Krise, in der das Land spätestens seit der vorgezogenen Knesset-Wahl im April 2019 steckte, ein zumindest vorläufiges Ende gefunden zu haben scheint.

Denn das Problem, das den Likud-Politiker damals dazu trieb, Neuwahlen herbeizuführen, plagt ihn ja noch immer: Noch im Mai soll der Prozeß gegen Benjamin Netanjahu beginnen, in dem er sich Korruptionsvorwürfen wird stellen müssen. Sein Versuch, diesem Verfahren zu entgehen, hat Israel erst in die politische Krise gestürzt, aus der er es nun herausführen soll. Kann das tatsächlich gelingen?

Nachdem es Benjamin Netanjahu in den vergangenen Wochen gelungen ist, seinen ehemaligen Herausforderer Benny Gantz, der geschworen hatte, niemals in einer von ihm geführten Regierung mitarbeiten zu wollen, dazu zu bringen, ihm erneut ins Amt des Premiers zu verhelfen, sollte nichts ausgeschlossen werden. Was Benjamin Netanjahu da gelungen ist, ist sicherlich sehr beachtenswert.

Andererseits liegt darin aber auch das Problem: Es dreht sich noch immer alles um Benjamin Netanjahu. Nicht er ist für Israel da, sondern das politische System scheint zwischenzeitlich ganz auf seine Interessen zugeschnitten. Ein untragbarer Zustand – ganz gleich, wie groß die Verdienste des Likud-Politikers auch sind. Aus Verantwortung für Israel hätte er sein Amt anderen überlassen müssen.