Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat sich am Wochenende kritisch über Demonstrationen geäußert, mit denen seit einiger Zeit gegen das Vorgehen der Regierung in Berlin gegen die Verbreitung des Covid-19-Virus’ protestiert werden soll. Im Umfeld und auf solchen Aufmärsche blühten auch Verschwörungsmythen und tummelten sich nicht selten Antisemiten.
»Jeder, der an einer Demonstration teilnimmt«, erklärte Josef Schuster der Welt am Sonntag, müsse »sich anschauen, mit wem er sich gemein macht und letztlich dann auch dafür geradestehen«. In der Tat verwundert, wie »bunt« manch Protest gegen die Berliner Politik ist, erschreckt, wie sogar Menschen, die sich vermutlich selbst als Antifaschisten bezeichnen würden, ihre Teilnahme rechtfertigen.
So fand am vorvergangenen Wochenende in der deutschen Hauptstadt eine »Großdemonstration« statt, an der sich 13.000 bis 1,3 Millionen Menschen beteiligten. Sie hatten nicht das geringste Problem damit, gemeinsam mit Trägern von Reichs- und Reichskriegsflaggen zu demonstrieren, Rednern zu applaudieren, deren abenteuerliche Pamphlete selbst der einschlägige Kopp Verlag ablehnte.
Am Tag danach jedenfalls konnte man exemplarisch diese Sätze lesen:
»Ein paar Nazis waren dabei, das ist richtig. Mitunter wirkte es verstörend, hinter der Reichskriegsflagge Menschen mit Fahnen der Friedensbewegung zu sehen. Doch die waren weitaus zahlreicher als die Deutschlandfahnen, die es auch zu sehen gab. Zahlreicher auch als die Häufchen irregeleiteter Antifas, die den Demonstrierenden ihr einfallsloses ›Nazis raus‹ entgegenbrüllten.«
Da wird locker über »ein paar Nazis« hinweggegangen, die die immerhin »zahlreicher[en] [..] Menschen mit Fahnen der Friedensbewegung« weder zum nächstbesten Teufel jagen, noch dazu bewegten wollten, sich von ihren Reichsflaggen zu trennen, während gleichzeitig »Häufchen irregeleiteter [!] Antifas« herabwürdigend bescheinigt wird, ihre »Nazis raus«-Rufe seien »einfallslos« gewesen.
So sieht es aus, wenn »ein paar Nazis« verharmlost und ihre menschenverachtende Ideologie gesellschaftsfähig gemacht werden. Sie wurden und werden geduldet, statt sanktioniert oder ausgegrenzt. Und jene, die sich damit nicht abfinden, werden angegriffen und beleidigt. Josef Schuster ist für seinen Optimismus zu bewundern, glaubt er doch, die Irren seien »zum Glück weit in der Minderheit«.