Nachdem am Samstag Dutzende Rechtsextremisten versuchten, den Reichstag in Berlin zu stürmen und nur mit Mühe aufgehalten werden konnten, gibt sich die deutsche Politik nahezu geschlossen empört. Stellvertretend für sie erklärte Präsident Frank-Walter Steinmeier, »Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie«.
So berechtigt das Entsetzen über den Anblick von Reichsfahnen vor dem Parlamentssitz in der deutschen Hauptstadt allerdings auch sein mag, der zeitweise von nur noch drei Polizisten gegen den braunen Mob verteidigt wurde, so wenig sollte es davon ablenken, daß auch die, die sich jetzt ähnlich äußern wie das Staatsoberhaupt, am Wochenende nicht eben als wehrhafte Demokraten auffielen.
Denn sie waren einfach nicht da. Der Deutsche Bundestag macht seit Anfang Juli Ferien, die nächste Sitzungswoche beginnt am 7. September. Zwei Monate lang ruhte dann der parlamentarische Betrieb, acht Wochen, in denen es nicht an Themen für Debatten mangelte. Die Covid-19-Pandemie und die oftmals einschneidenden Folgen ihrer hysterischen Bekämpfung boten genügend Gesprächsstoff.
Doch ausgerechnet in einer Zeit, in der Grundrechte teils massiv eingeschränkt wurden und werden, in der parlamentarische Kontrolle der Regierung zweifellos nötiger ist als sonst, verabschiedeten sich die Parlamentarier in die Sommerpause. Und so waren sie denn auch nicht am Sonnabend da, als »das Herz unserer Demokratie« attackiert wurde, sondern – drei Polizisten, die nach Verstärkung riefen.
Welche Symbolkraft hätten Bilder von Abgeordneten entfalten können, die sich gemeinsam mit den Sicherheitskräften dem Reichs-Pöbel in den Weg stellen. Welche Wirkung könnte darüber hinaus ausgehen von einem Parlament, das im Ausnahmezustand tagt und sich den aktuellen Problemen widmet, die er verursacht. Die hochgelobte wehrhafte Demokratie – ihr Herz schlägt doch nur im Sommertakt.