Antisemitische Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Juden dementieren in diesen Tagen auf erschreckende Weise die in Sonntagsreden immer wieder aufgestellte Behauptung, für Haß auf Juden sei »kein Platz« in Deutschland. Damit stellen die antisemitischen Zusammenrottungen der vergangenen Tage eine Politik bloß, die nur zu gern ihre Bekenntnisse noch im Moment ihrer Äußerung vergißt.
Daß auf offener Straße – in deutscher Sprache – »Scheißjuden« gebrüllt wird, krakeelt und Pogromstimmung heraufbeschworen werden kann, ist ohne Frage Folge dieser Politik, die das Problem lieber beschweigt und ignoriert, wenn nicht gerade ein Nazi Schlagzeilen macht mit seinem Versuch, in einer Synagoge ein Blutbad anzurichten, oder andere Antisemiten öffentlich Davidsterne abfackeln.
So lange Politiker zwar heilige Schwüre schwören, daß »bei uns« Antisemitismus geächtet und bekämpft werde, sie ihre Versprechen aber – für sie – dann folgenlos brechen können, bleiben solche Ankündigungen nichts als Lippenbekenntnisse. Weshalb etwa ist der sächsische Innenminister Roland Wöllner nach dem Verhalten seiner Polizei Ende der vergangenen Woche in Dresden noch im Amt?
In der sächsischen Landeshauptstadt konnte sich ein antisemitischer Mob versammeln und ein viel zu klägliches Häuflein von 25 »Gegendemonstranten« attackieren, die dann von der Staatsgewalt auch noch mit Platzverweisen sanktioniert wurden. Weshalb wurde nicht der antisemitische Aufmarsch unterbunden? Später war das dann unter Berufung auf Anti-Covid-Maßnahmen ja durchaus möglich.
Platzverweise gegen aufrechte Demokraten, »um eine weitere Eskalation zu verhindern«, sind nicht bloß ein beschämendes Armutszeugnis für eine Polizei, die sich mit ihnen zur Marionette des Mobs machte. Bleibt dieses Zurückweichen des Rechtsstaats vor dem gewalttätigen Mob für den oder die verantwortlichen Politiker folgenlos, sind all die Schwüre, die jetzt wieder Konjunktur haben, lächerlich.