Entscheidungsschwäche

Die japanische Regierung hat angekündigt, sich dem »diplomatischen Boykott« der Olympischen Winterspiele anzuschließen, die in etwa sechs Wochen in China beginnen sollen. Zwar werden das Olympische sowie das Paralympische Komitee Japans hochrangige Vertreter zu den Wettbewerben schicken, Repräsentanten der politischen Führung in Tokyo werden aber nicht in die Volksrepublik reisen.

Tokyo, begründete der Leiter des Kabinetssekretariats Hirokazu Matsuno die Entscheidung, sei »davon überzeugt, daß die Achtung der Menschenrechte wichtig ist«. Man habe daher einmütig gegen politische Besuche der Winterspiele entschieden. Japan schließt sich damit Australien, Kanada und dem Vereinigten Königreich an, die bereits erklärt hatten, dem Beispiel Washingtons folgen zu wollen.

Wenn schon Politiker es angemessen finden, unter Berufung auf Menschenrechte die Olympischen Winterspiele in China zu boykottieren, sollten sich Sportlerinnen, Sportler und deren Verbände die Frage stellen, ob sie tatsächlich die Augen verschließen können vor den Peking vorgeworfenen massiven Menschenrechtsverletzungen, ob ihre Teilnahme »unpolitisch« oder gar »unschuldig« sein kann.

Bemerkenswerte freilich ist einmal mehr, daß die Regierung in Berlin es noch nicht vermocht hat, sich zu der Frage zu positionieren, obgleich sie sich doch eine »wertegeleitete Außenpolitik« auf die Fahnen geschrieben hat. Kanzler Olaf Scholz hatte sich ausweichend geäußert, Außenministerin Annalena Baerbock auf die EU verwiesen, die allerdings gar nicht über entsprechende Kompetenzen verfügt.

Die Regierung in Tokyo führt mit ihrer Entscheidung daher auch die neue deutsche Regierung ebenso vor wie die Europäische Union. In China werden, das ist unstrittig, Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen erst recht. Doch während andere Staaten – wenn auch nur halbherzig – vormachen, wie darauf reagiert werden könnte, blamiert Berlin sich in alter Tradition als entscheidungsunfähig.