Barbar

Bis zum 9. Mai vergeht noch einige Zeit, Zeit in der viel geschehen kann. Vielleicht wird die Ukraine dann nur noch Erinnerung sein, vielleicht ein gnädiges Schicksal Rußland einen zurechnungsfähigen Präsidenten beschert haben. Sollte allerdings in acht Wochen Wladimir Putin noch im Amt sein, er wird es hoffentlich nicht wagen, seine Armee zum »Tag des Sieges« durch Moskau paradieren zu lassen.

Mit Militäraufmärschen feiert Rußland am »Tag des Sieges« das Jubiläum der maßgeblich von der Roten Armee erkämpfte bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945, den Tag, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa endete. Mit den sowjetischen Befreiern vom deutschen Nationalsozialismus hat die russische Armee der Gegenwart derweil wenig gemein.

Dafür jedenfalls, daß die russischen Streitkräfte heute kaum irgendwo als Befreier wahrgenommen werden können, hat Wladimir Putin gesorgt. Zwar versuchte der russische Präsident mit der Behauptung, der russische Einmarsch in die Ukraine diene deren »Entnazifizierung«, historische Bezüge herzustellen, die Praxis seines Krieges jedoch beschmutzt und verrät das Andenken an die Helden der Roten Armee.

An Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine ist nichts antifaschistisch. Tatsächlich dürften extreme Nationalisten, Anhänger des Antisemiten und Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera, die es in dem Land freilich gibt, durch den russischen Überfall legitimiert und gestärkt worden sein. Selbst große Teile der angeblich von einem »Holocaust« bedrohten russischsprachigen Ukraine kämpfen gegen ihre »Befreiung«.

Wladimir Putin scheint von allen guten Geistern verlassen. Sein durch nichts provozierter Krieg gegen die Ukraine ist einer gegen die Zivilisation. Mit gezielter Barbarei gegen ukrainische Zivilisten, gegen zivile Infrastruktur, mit der dieser Krieg in Erinnerung bleiben wird, stellt Wladimir Putin Rußland und seine Armee und sich bloß. Er ist kein Befreier, sein Ende könnte der Beginn einer Befreiung sein.