In Israel haben am Wochenende zahlreiche Menschen für und noch deutlich mehr gegen die von der Regierung in Jerusalem geplante Justizreform demonstriert. Mit dem umstrittenen Gesetzesvorschlag soll, fürchten die Gegner des Vorhabens, die Gewaltenteilung in Israel aufgeweicht werden, während ihre Befürworter argumentieren, durch eine Beschränkung der Macht des Obersten Gerichtshofs werde die Demokratie gestärkt.
Ende Dezember von der Knesset vereidigt, ist es Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in den sieben Monaten seither ganz offensichtlich nicht gelungen, Kritik an der vor allem von ihm vorangetriebenen Reform auszuräumen, die die Machtbalance zwischen Regierung einer- und Oberstem Gerichtshof andererseits mit noch gar nicht völlig überschaubaren Folgen zugunsten von Legislative und Exekutive verschieben könnte.
Die Richter des Obersten Gerichtshofs werden nicht durch Wahlen bestimmt, Parlament und Regierung müssen sich Wahlen und Abstimmungen stellen. Während letztere freilich Gesetze formulieren und verabschieden können, obliegt es der Judikative, deren Einhaltung zu überprüfen und nötigenfalls Änderungen zu verlangen: Mögen sie auch demokratisch legitimiert sein, stehen Regierung und Parlament nicht über dem Gesetz.
Und leider ist nicht auszuschließen, daß Benjamin Netanjahu daran etwas ändern will. Er könnte jedenfalls sehr persönliche Motive dafür haben, die Möglichkeiten der Justiz zu beschränken. Davon nämlich könnte er im nach wie vor gegen ihn laufenden Verfahren profitieren, in dem ihm Korruption vorgeworfen wird. Deswegen sabotierte Benjamin Netanjahu in früheren Amtszeiten als Premier Ermittlungen der israelischen Justiz.
Auch deswegen ließ er mehrere Regierungskoalitionen platzen und bescherte Israel so einige verfrühte Neuwahlen. Machte der Politiker Benjamin Netanjahu sich durchaus verdient um den jüdischen Staat, verspielte er so längst das Ansehen, das er damit erwarb. Nun riskiert er aus den gleichen Gründen eine tiefe Spaltung der israelischen Gesellschaft, noch tieferes Mißtrauen in die staatliche Institutionen und die israelische Demokratie.
Möglicherweise gibt es gute Gründe für eine Reform der israelischen Justiz, für Neuverhandlungen des Verhältnisses zwischen den Gewalten. Steht jedoch zu befürchten, daß der Hauptgrund dafür die ganz persönlichen Interessen des amtierenden Ministerpräsidenten sowie persönliche Betroffenheiten einiger seiner Minister sein könnten, sollte sie verschoben werden. Benjamin Netanjahu ist als Reformer die falsche Besetzung.