Schlagwort: Multilateralismus

Wertewandel

Geht es nach Josep Borrell Fontelles, dem Hohen Außenbeautragten der Europäischen Union, ist es – einmal mehr – so weit: Er hoffe, »daß wir in den nächsten Tagen nicht an Schwung verlieren und das Abkommen schließen werden«, stimmte er dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu, der erklärt hatte, er rechne damit, daß »der JCPOA in den nächsten paar Tagen abgeschlossen werden« könne.

Der Joint Comprehensive Plan of Action, als Resolution 2231 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ist er geltendes Völkerrecht, das vom islamistischen Regime in Teheran massiv verletzt wird, sollte verhindern, daß die Islamische Republik Iran zur Atommacht aufsteigt und in den Besitz von Kernwaffen gelangt. Tatsächlich allerdings konnte der JCPOA das iranische Atomprogramm nicht einmal bremsen.

Großen Anteil daran haben nicht allein die iranischen Verstöße, sondern insbesondere auch die Weigerung der europäischen Vertragspartner, der von Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich gebildeten »E3«, Teheran zur Einhaltung des Abkommens zu zwingen, das dazu durchaus – gleichwohl schwache – Instrumente bietet, und ihre Sabotage amerikanischer Versuche, den JCPOA nachzubessern.

Unter Präsident Donald J. Trump zog Washington sich deshalb aus dem Abkommen zurück, Amtsnachfolger Joe Biden scheint grundsätzlich bereit, diesen Schritt rückgängig zu machen, wenn auch wohl nicht unbedingt um jeden Preis. Die Begeisterung Washingtons über das Ergebnis der von Josep Borrell Fontelles Anfang August für »beendet« erklärten Verhandlungen darüber hält sich jedenfalls in Grenzen.

Während die Europäer einer »Wiederbelebung« des JCPOA regelrecht entgegenfiebern, gibt sich Washington noch nicht eben begeistert von der jüngsten iranischen Stellungnahme zum »endgültigen« Entwurf eines Abschlußdokuments der Verhandlungen über den JCPOA. Die US-Regierung bestätigte am Donnerstag, Brüssel hätte ihr das Papier übermittelt, bezeichnete es jedoch als »nicht konstruktiv«.

Mit dieser Einschätzung legt Washington zugleich offen, wie weit gerade seine europäischen »Verbündeten« sich inzwischen an Teheran angenähert haben. Um das Scheitern ihrer Politik nicht eingestehen zu müssen, sind sie offenbar sogar bereit dazu, Teherans Forderung nachzugeben, Fragen der Internationalen Atomenergiebehörde zu Proben, die deren Inspektoren genommen hatten, nicht beantworten zu müssen.

Hieß es 2015, nur eine Vereinbarung mit dem islamistischen Regime sei akzeptabel, »die kein Vertrauen gegenüber Iran voraussetzt«, wurde deshalb ein »historisch beispiellose[s] Sonder-Überwachungsregime, das den Vertrauensbrüchen der Vergangenheit Rechnung trägt«, angepriesen, gelten inzwischen die IAEA und Washington nicht nur in Teheran als »Spielverderber«, sondern wohl auch dem offiziellen Europa.

Unnützes Abkommen

Ebrahim Raisi, der »Präsident« des islamistischen Regimes in Teheran, hat in einer Pressekonferenz am Montag damit geprahlt, daß seine Islamische Republik Iran »gegen den Willen der Feinde« über ein großes Arsenal von Nukleartechnik. »Niemand kann uns das Wissen nehmen und unsere Atomindustrie«, zitieren iranische Medien den von einem »Erfolg über die zionistische Entität« schwärmenden »Präsidenten«.

Erklären Diplomaten des Mullah-Regimes gleichzeitig, ihr Land sei »ernsthaft« an einer »dauerhaften Vereinbarung« im Streit um dessen Atomprogramm interessiert, wirft der demonstrative Stolz Ebrahim Raisis auf iranische Verstöße gegen den Joint Comprehensive Plan of Action, ohne die die von ihm als unumkehrbar gefeierten Fortschritte ja gar nicht möglich gewesen wären, allerdings ernsthafte Fragen auf.

Diese Fragen richten sich vor allem an die, die noch immer glauben – oder glauben wollen -, ein neu belebter JCPOA oder ein ähnliches Nachfolgeabkommen könne tatsächlich den Aufstieg des islamistischen Unrechtsregimes zur Atommacht verhindern, zumal es nicht gewillt scheint, seinen Konfrontationskurs auch nur ein wenig zu ändern: Gerade nahm Teheran weitere moderne IR6-Zentrifugen in Natanz in Betrieb.

Mit diesem neuerlichen Verstoß gegen die Resolution 2231 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, der sich selbstredend nicht mit zivilen Zwecken rechtfertigen läßt, führt Teheran einmal mehr vor, daß die Annahme, jedes Abkommen sei besser als gar keins, wie sie der französische Präsident Emmanuel Macron stellvertretend für die »E3« und die EU erst jüngst wieder vortrug, völlig realitätsfern ist.

Der JCPOA, der als Resolution 2231 des wichtigsten Gremiums der Vereinten Nationen in Völkerrecht überführt wurde, das sich gegen Teheran und dessen Atomprogramm richtete, hat dessen Ausbau nicht »nur« nicht verhindert, das Abkommen wird von den Mullahs heute sogar ausdrücklich als ein Werkzeug verstanden, Druck auf die Vereinigten Staaten auszuüben, Washington ihren Willen aufzuzwingen.

»Bei den Verhandlungen« um den JCPOA »geht es um die Aufhebung der Sanktionen«, bekundete »Präsident« Ebrahim Raisi denn auch unverhohlen, um mit Washington »diejenigen, die ihre Verpflichtungen aufgegeben haben«, aufzufordern, »zurück[zu]kehren und ihre Verpflichtungen [zu] erfüllen«, nämlich Sanktionen aufzugeben. »Unser Schwerpunkt bei diesen Verhandlungen ist die Aufhebung der Sanktionen«.

Verhängnisvolles Zögern

In der Nacht vom Montag zum Dienstag ist in Brüssel die offizielle Antwort des islamistischen Regimes in Teheran auf einen von der EU vorgelegten und als »endgültig« und daher auch nicht weiter verhandelbar bezeichneten Text für ein Abschlußdokument der im Frühjahr 2021 in der österreichischen Hauptstadt Wien begonnenen Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action eingegangen.

In seiner Stellungnahme lehnt das Mullah-Regime den Text nicht ab, stimmt ihm jedoch auch nicht zu. Hatten europäische Diplomaten erklärt, Teheran bliebe nur eine der beiden Möglichkeiten, läßt sich Brüssel mit der Prüfung der iranischen Stellungnahme und der Formulierung einer Erwiderung inzwischen erstaunlich lange Zeit. Auch Washington, das seit Mittwoch informiert ist, hat sich noch nicht geäußert.

Spekulationen, ein angeblicher iranischer Verzicht auf die an die amerikanische Regierung gerichtete Forderung, die Pasdaran nicht länger als terroristische Organisation zu kriminalisieren, könnten Washingtons Neigung, zum JCPOA zurückzukehren beflügeln, traten Vertreter Washingtons gegenüber israelischen Medien entgegen: »Die Unterzeichnung eines Abkommens ist in nächster Zeit nicht zu erwarten«.

Zwar sei man eine Einigung womöglich näher »als vor zwei Wochen«, noch bestünden aber »Differenzen« mit Teheran. Drückt Washington sich einmal mehr vor einer ob des fortgeschrittenen iranischen Atomprogramms überfälligen Entscheidung, sind die Europäer, die die Gespräche koordinieren, erneut blamiert: Stimmte ihre Behauptung, es sei alles verhandelt, müßten sie die Gespräche für gescheitert erklären.

Die Zeit spielt unterdessen ohnehin für das islamistische Regime. Teheran steht an der Schwelle zur Atommacht, und selbst im Fall einer Wiederbelebung des JCPOA müßte es wahrscheinlich nicht auf seinen inzwischen angehäuften Bestand an Uran mit einem Reinheitsgrad von bis 60 Prozent verzichten, da es offenbar keine Möglichkeiten gibt, so weit angereichertes Uran sicher außer Landes zu bringen.

Damit bliebe das Regime in Teheran weiter im Besitz eines Druckmittels, mit dem es weitere Zugeständnisse erpressen könnte. Insofern ist es bereits jetzt absehbar, daß ein wiederbelebtes Abkommen noch schwächer wäre als der damit nur als gescheitert zu charakterisierende JCPOA. Sofern aber noch etwas zu retten sein sollte, schwinden die Chancen darauf mit jedem Tag weiter. Zögern sollte ist daher keine Option.

Zurück auf Anfang?

Das islamistische Regime in Teheran hat, wie zuvor durch »Außenminister« Amir Abdollahian angekündigt, in der vergangenen Nacht eine offizielle Stellungnahme zu einem »endgültigen Text« für eine Abschlußerklärung der Wiener Gespräche über den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) übermittelt, den vor gut einer Woche EU-»Außenminister« Josep Borrell Fontelles vorgelegt hatte.

Aus den Angaben iranischer Medien geht hervor, daß die Islamische Republik Iran dem Dokument nicht zustimmt, es aber auch nicht komplett zurückweist, sondern noch weiteren Bedarf für Gespräche sieht. Dabei geht es vor allem um an Washington gerichtete Forderungen, die auf eine Aussetzung amerikanischer Sanktionen als Vorbedingung für eine Rückkehr Teherans zu dem Abkommen hinauslaufen.

Das allerdings ist eine Forderung, die Teheran bereits vor dem Beginn der Verhandlungen in Wien vor eineinhalb Jahren und während der von langen Pausen gekennzeichneten Gesprächsrunden immer wieder erhoben hatte. Washington dagegen hatte immer wieder darauf bestanden, daß Teheran die Regelungen des JCPOA einhält, bevor es Sanktionen gegen dessen Atomprogramm aussetzt oder gar aufhebt.

Wenn auch die Details der »abschließenden Überlegungen« des Regimes in Teheran noch nicht bekannt sind, ist es wohl nicht allzu gewagt, den Wiener Verhandlungen keine großen Fortschritte zu bescheinigen. Der JCPOA, den sie retten sollten, wird von Teheran weiter und massiv verletzt, das Regime steht an der Schwelle zur Atommacht. Und die Diplomatie der letzten Monate hat daran nichts geändert.

Hatte es vor einer Woche aus Brüssel geheißen, es werde »nicht neu verhandelt werden«, die Regierungen der an den Verhandlungen beteiligten Staaten könnten und müßten »nun« nur noch »Ja oder Nein sagen«, ist die europäische Verhandlungsführung mit den iranischen Einwänden blamiert. Wird nun doch noch verhandelt werden? Oder räumen die Europäer das Scheitern ihres verhängnisvollen Kurses ein?

Letzte Frist

Teheran will sich offenbar an eine inoffizielle Frist für eine Antwort auf ein von der EU vorgelegtes »endgültiges« Abschlußdokument für die in Wien geführten Gespräche über die Zukunft des JCPOA halten. Wie Amir Abdollahian, der »Außenminister« der Islamischen Republik Iran, erklärte, soll die »offizielle« Bewertung des Dokuments bis Mitternacht bei Verhandlungskoordinator Josep Borrell Fontelles eingehen.

Der Hohe Außenbeauftragte der EU hatte vor knapp einer Woche die Gespräche in der österreichischen Hauptstadt für beendet erklärt: »Was ausgehandelt werden konnte, ist ausgehandelt und in einem endgültigen Text festgehalten«.Der Text, über den nach Angaben eines anonymen europäischen Diplomaten »nicht neu verhandelt werden« soll, könne von den Beteiligten nun nur noch bestätigt oder abgelehnt werden.

Das islamistische Regime in Teheran freilich hat die Endgültigkeit des europäischen Dokuments nie anerkannt, sondern nur von einem »Entwurf« gesprochen. Durchaus folgerichtig wollte »Außenminister« Amir Abdollahian nun auch weitere Verhandlungen nicht ausschließen: »Fällt die Reaktion der USA realistisch aus, wird eine Einigung erzielt werden. Zeigen die USA keine Flexibilität, sollte wir weiter reden«.

Zuvor hatten Vertreter der Islamischen Republik über »Erpressungsversuche« Washingtons geklagt und Vorbehalte gegen Teile des (aus iranischer Sicht) Textentwurfs geäußert. Sollte das islamistische Regime nun seine Zustimmung verweigern, wäre das nicht unbedingt überraschend. Mit einer solchen Reaktion würde es seine Position tatsächlich kaum schwächen, die Europäer aber bloßstellen. Denen wäre das zu gönnen.

Europäische Werte

Josep Borrell Fontelles, der »Außenminister« der Europäischen Union, hat am vergangenen Montag via Twitter das Ende der Verhandlungen über eine Wiederbelebung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) bekanntgegeben. »Was ausgehandelt werden konnte, ist ausgehandelt und in einem endgültigen Text festgehalten«, der jetzt von den an den Gesprächen beteiligten Staaten geprüft werden müsse.

Medien zitierten einen namenlosen europäischen Diplomaten, der von einem »sehr guten Kompromiss für alle Beteiligten« sprach und weitere Gesprächsrunden ausschloß: »›Die Verhandlung ist beendet, es ist der endgültige Text‹, und dieser werde ›nicht neu verhandelt werden‹«. Was genau in dem europäischen Text steht, den Teheran derweil nur als »Vorschlag« bezeichnen will, wurde freilich nicht verraten.

Befürchtungen, daß der »sehr gute Kompromiss für alle Beteiligten« vor allem aus Zugeständnissen an das islamistische Regime in Teheran bestehen könnte, werden jetzt von der Website Politico bestätigt, die Auszüge des »endgültigen Texts« analysiert hat. Danach soll den Mullahs ihre Zustimmung mit einer wesentlichen Verwässerung amerikanischer Sanktionen gegen die Pasdaran schmackhaft gemacht werden.

Bei der auch als Revolutionsgarden (IRGC) bekannten Organisation handelt es sich um eine besonders schlagkräftige und loyale »Privatarmee« der islamistischen Herrscher in Teheran. In den Vereinigten Staaten werden die »Bannerträger der Revolution« als terroristische Organisation geächtet. Die Pasdaran sind berüchtigt für ihre besondere Brutalität bei der Niederschlagung von Protesten in der Islamischen Republik.

Doch auch im Ausland sind die Revolutionsgarden immer im Dienst für das Mullah-Regime, selbst deutsche Nachrichtendienste warnen unter dem Stichwort »Staatsterrorismus« vor ihren vielfältigen und weltweiten Aktivitäten. Die von Präsident Joe Biden geführte Regierung in Washington hatte wiederholt versichert, an der von Amtsvorgänger Donald J. Trump vorgenommenen Einstufung der Pasdaran festzuhalten.

Selbst wenn Washington behauptet, es hätte seine Haltung nicht geändert – dann allerdings müßte es seine Zustimmung zu dem »endgültigen Text« konsequent verweigern und könnte auf dessen »Prüfung« verzichten -, die europäische Bereitschaft, auf eine Forderung Teherans einzugehen, statt es wegen stetig ausgeweiteter Verstöße gegen den JCPOA unter Druck zu setzen, bleibt so entlarvend wie besorgniserregend.

Armutszeugnis

Mit der Vorlage eines als »endgültig« bezeichneten Textentwurfs sind nach übereinstimmenden Angaben aus Europa und der Islamischen Republik Iran die Verhandlungen in der österreichischen Hauptstadt über eine Wiederbelebung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) »beendet« worden. Dieser Text werde »nicht neu verhandelt werden«, zitieren Medien einen europäischen Diplomaten.

Das Dokument, dessen Inhalt der namenlose Diplomat als »sehr guten Kompromiss für alle Beteiligten« beschreibt, soll nun von den an den Verhandlungen beteiligten Staaten geprüft werden. Die Vertragsstaaten hätten nun nur noch die Möglichkeit, »Ja oder Nein [zu] sagen«, so daß bereits »in sehr, sehr wenigen Wochen« diesen Angaben zufolge Gewißheit über die Zukunft des JCPOA herrschen könnte.

Die jüngste Verhandlungsrunde in Wien, das auch der Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ist, endete damit nach nur wenigen Tagen – sie hatte am vergangenen Donnerstag begonnen – wie jene Gesprächsrunden im Frühjahr, von denen es hieß, eine Einigung sei »keine Frage von Wochen, es ist eine von Tagen«. Ein unterschriftsreifes Abschlußdokument lag vor und sollte nur noch geprüft werden.

Was immer aus dem »endgültigen Text« auch wird, als ein »sehr gute[r] Kompromiss für alle Beteiligten« dürfte er wenig wert sein. Das islamistische Regime in Teheran verstieß und verstößt massiv gegen den Joint Comprehensive Plan of Action und steht in der Folge davon an der Schwelle zur Atommacht. Da sollte es sich aus Gründen der Vernunft schlicht verbieten, ihm irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

Waren insbesondere die europäischen Vertragsstaaten – Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich – in den Jahren seit Verabschiedung des JCPOA nie bereit, selbst dessen schwaches Instrumentarium zur Durchsetzung des Abkommens anzuwenden, dürfte ein »sehr gute[r] Kompromiss für alle Beteiligten«, also ausdrücklich und gerade für Teheran, die Vereinbarung nur noch weiter verwässern.

Erfolgskurs

In der österreichischen Hauptstadt Wien soll ab Freitag wieder über eine Wiederbelebung des Joint Comprehensive Plan of Action verhandelt werden. Das Abkommen, das den Aufstieg der Islamischen Republik Iran zu einer Atommacht verhindern soll(te), wird vom Mullah-Regime klandestin und offen systematisch verletzt, während die restlichen Vertragsstaaten den Verstößen weitgehend tatenlos zuschauen.

Unter Präsident Donald J. Trump hatte Washington den JCPOA verlassen, nachdem amerikanische Versuche, das Abkommen zu reformieren, nicht nur am Widerstand Teherans, sondern vor allem der Sabotage seiner europäischen »Partner« gescheitert waren. In Wien geht es daher ebenso darum, Teheran zur Einhaltung des JCPOA zu bewegen, wie die Vereinigten Staaten dazu, dem Abkommen wieder beizutreten.

Die bereits im Frühjahr 2021 aufgenommenen Gespräche am Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stockten seit Anfang 2022. Zwar soll schon ein unterschriftsreifes Abschlußdokument vorliegen, dennoch sind inzwischen Monate seit dem letzten Treffen der Unterhändler in Wien vergangen; ergebnislos verlief derweil auch ein europäischer Versuch, in Katar neue Verhandlungen zu initiieren.

Gleichwohl ist die Nachricht von nun offenbar anstehenden neuen Gesprächen in Wien alles andere als begrüßenswert. Denn von der Verlängerung der Unterhandlungen, sei es durch lange Pausen, sei es durch andere Verzögerungen, profitiert vor allem die Islamische Republik, in deren Sinn freilich auch ein »Verhandlungserfolg« wäre, sofern der eine Rückkehr Washingtons zu dem Abkommen mit einschließt.

Die Mullahs haben nämlich ihr Kernwaffenprogramm seit 2015 immer weiter vorangetrieben. Unterdessen warnt die IAEA davor, daß Drohungen von Repräsentanten des islamistischen Regimes mit dem Bau und dem Einsatz von Atombomben durchaus mehr sind als wirre Prahlereien. Dank seiner Verzögerungstaktik verfügt Teheran heute über alles, was es zum Bau von Kernwaffen innert weniger Wochen braucht.

Unter diesen Umständen sollte Washington längst aus den Gesprächen ausgestiegen sein, statt deren Fortsetzung zu unterstützen. Denn mit einer Rückkehr der Vereinigten Staaten zum JCPOA verzichtete die amerikanische Regierung auf ein ganzes Arsenal möglicher Reaktionen auf absehbare Verletzungen des Abkommen durch die Mullahs – und genau deshalb haben die zugleich ein vitales Interesse daran.

Iranischer Humor

Das islamistische Regime in Teheran hat nach eigenen Angaben damit begonnen, »Hunderte Zentrifugen«, darunter zahlreiche des Typs IR-6, mit Gas zu befüllen, um mit ihnen weiteres Uran bis zu einem Reinheitsgrad von 20 Prozent anzureichern. Ein Sprecher des iranischen Atomprogramms erklärte, die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sei bereits über den Schritt Teherans informiert worden.

Während in New York gerade unter dem Dach der Vereinten Nationen über den Stand der weltweiten Bemühungen um nukleare Abrüstung verhandelt wird, fügt die Islamische Republik Iran ihren massiven Verstößen gegen den Joint Comprehensive Plan of Action mit der Inbetriebnahme weitere Zentrifugen zur Urananreicherung neue hinzu. Einmal mehr führen die Mullahs damit die Weltgemeinschaft vor.

Der JCPOA gestattet dem islamischen Regime den Besitz geringer Mengen Urans mit einem Reinheitsgrad von bis zu 3,67 Prozent. Mit der Anreicherung von Uran auf 20 Prozent wird diese Grenze überschritten. Auch der Einsatz moderner IR-6-Zentrifugen ist nach den Regeln des 2015 geschlossenen Abkommens, das mit der Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats in Völkerrecht überführt wurde, illegal.

Es muß wohl eine spezielle Form islamistisch-iranischen Humors sein, daß Teheran angibt, mit seinen Verstößen gegen den JCPOA die Aufhebung von Sanktionen erreichen zu wollen, deren Verschärfung ob dieser Maßnahmen möglich und geboten wäre. Als offenen Affront sollte die Weltgemeinschaft zugleich die »Bereitschaft« Teherans zu weiteren »möglichen Verhandlungen« begreifen und beantworten.

Nützlicher Idiot

Die Islamische Republik Iran hat nach eigenen Angaben Kameras der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) an Standorten ihres Atomprogramms abgebaut und versiegelt. Hatte die 2015 mit der Überwachung der Umsetzung des Joint Comprehensive Plan of Action durch Teheran beauftragte IAEA schon keinen Zugriff auf Aufnahmen der Kameras mehr, wird damit nun gar nichts mehr aufgezeichnet.

Verbunden mit der Ankündigung, keinerlei Auskunft zu Fragen geben zu wollen, deren Beantwortung zuletzt auch der Gouverneursrat der IAEA gefordert hatte, blamiert das islamistische Regime damit einmal mehr eine internationale Diplomatie, die nicht gewillt ist, die Einhaltung völkerrechtliche Verträge gegebenenfalls mit dem nötigen Nachdruck zu erzwingen oder dies zumindest zu versuchen.

Die Islamische Republik verfügt auch deshalb inzwischen über große Vorräte beinahe waffenfähigen Urans und das Wissen und die Technologie, damit binnen kürzester Zeit tatsächlich zur Atommacht aufzusteigen. Dabei sollte der Joint Comprehensive Plan of Action genau das auch mit einem »Sonder-Überwachungsregime« verhindern, das von Beginn an kompromittiert war und inzwischen »blind« ist.

Es ist bezeichnend, wirbt ausgerechnet Josep Borrell Fontelles, der Hohe Außenbeauftragte der EU, dennoch gerade wieder mit einem Meinungsbeitrag energisch für den JCPOA, in dem er auch verschärften Sanktionen eine Absage erteilt, weil diese nichts bringen würden. Tatsächlich war es doch seine Europäische Union, die ganz aktiv amerikanische Sanktionen – etwa mit Instex – zu sabotieren versuchte.

Spätestens seit Beginn der Implementierung des JCPOA sind internationale Sanktionen gegen das Regime in Teheran ausgesetzt, wodurch auch die Wirkung amerikanischer Sanktionsmaßnahmen beschränkt wird. Die sind derweil Teheran noch immer erklärtermaßen lästig. Statt solchen Maßnahmen zu unterstellen, sie seien unsinnig, wäre es daher geboten, sie auszubauen, verstößt Teheran weiter gegen den JCPOA.