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Arrogante Inkompetenz

Mit seiner Entscheidung, aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) auszusteigen, hat der amerikanische Präsident Donald J. Trump natürlich in Teheran für einigen Unmut gesorgt. Dort verbrannten »Parlamentarier« Flaggen der Vereinigten Staaten und demonstrierten so ihre hohe zivilisatorische Reife. Doch auch in Europa und da vor allem in Deutschland ist die Aufregung groß.

Unter den »Experten«, die sich zu Wort meldeten, um in den Chor der Kritiker des US-Präsidenten einzustimmen, fällt Alexander Graf Lambsdorff auf, der als stellvertretender Fraktionsvorsitzender die FDP im Bundestag zu Berlin vertritt. Der Außenpolitiker meint zu wissen, »der Informationsstand des [amerikanischen] Präsidenten scheint nicht der allerbeste zu sein«, wie er der Welt verriet.

Wer anderen Ahnungslosigkeit vorwirft, sollte freilich selbst besser wissen, wovon er redet. Im Fall der iranischen Kernwaffenprogramms scheint es aber gerade Unwissenheit zu sein, durch die sich die Anhänger des JCPOA auszeichnen, auszeichnen wollen. So wollten die Vertragspartner der Mullahs vor dem Vertragsschluß gar nicht so genau wissen, wie weit Teheran eigentlich schon war.

Was Federica Mogherini, die europäische »Außenministerin«, zunächst zur Voraussetzung eines Abkommens erklärt hatte, nämlich Aufklärung darüber, woran die Islamische Republik Iran in der Vergangenheit gearbeitet hatte, wurde zum Vertragsbestandteil gemacht, um die Forderung nach Transparenz zu entschärfen. Das Nichtwissen hat Folgen, die in die Gegenwart des JCPOA reichen.

Wer nicht genau weiß, was gegebenenfalls zu kontrollieren und zu überwachen wäre, kann auch nur ein ungenaues Kontroll-Regime fordern und schließlich verabreden. Und selbst das, was dennoch kontrolliert wird, unterliegt keineswegs einem Kontrollregime, das einst einer der Architekten des Vertrags, der heutige deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, großspurig versprach.

Von »unangekündigte[n] Inspektionen aller Anlagen und permanente[r] Überwachung der nuklearen Aktivitäten in Iran mit modernster Technik wie Sensoren und Übertragungskameras« kann heute nicht mehr die Rede sein. Will die Internationale Atomenergiebehörde in der Islamischen Republik Iran aktiv werden, kann sie das nur nach vorheriger Ankündigung und im Konsens mit Teheran.

Es liegt auf der Hand, daß auf diese Weise gewonnene Informationen nicht eben vertrauenswürdig sein müssen. Man ahnt also bestenfalls, was Teheran in der Vergangeneheit getrieben hat – etwas Licht ins Dunkel brachte jüngst der Mossad –, und was die Gegenwart angeht, wird nur kontrolliert, was Teheran zuläßt. Wer aber auf dieser schwachen Basis anderen Inkompetenz vorwirft, ist bigott.

Flucht aus der Verantwortung

Nach neuen antisemitischen Vorfällen in Berlin wird in der deutschen Hauptstadt über einen Beauftragten für die Bekämpfung von Judenhaß diskutiert. Nachdem ein junge Gast der Stadt aus Israel antisemitisch beleidigt und mit einem Gürtel attackiert worden war, hatte Raed Saleh, der Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die Berufung eines solchen Beauftragten vorgeschlagen.

Der Sozialdemokrat griff damit einen Vorschlag der im Bundesland Berlin oppositionellen CDU auf, den auch seine Partei noch vor einem Jahr abgelehnt hatte. Vertreter der anderen Berliner Regierungsparteien äußerten sich nach Raed Salehs Vorschlag denn auch weiter skeptisch. Bettina Jarasch warnte für Bündnis 90/Die Grünen vor der Errichtung von, wie sie sagte, »Doppelstrukturen«.

Und auch Udo Wolf, der der Fraktion der Partei Die Linke, im Parlament der Stadt vorsitzt, gab sich ablehnend. Mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus sowie dem Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus existierten in Berlin bereits angesehene Institutionen, Symbolpolitik werde nicht gebraucht. Besonders originell aber klingt der Einspruch der Liberalen.

Für die Oppositionspartei gab Marcel Luthe zu Protokoll, die Stadt könne zwar für die Finanzierung sorgen, aber »ein solcher Beauftragter gehört zur Jüdischen Gemeinde«. Denn mit Antisemitismus hat die nichtjüdische Bevölkerung nichts zu schaffen? Vielleicht wäre ein Berliner Beauftragter für die Bekämpfung von Antisemitismus eine »Doppelstruktur«, vielleicht auch nur ein »Symbol«.

Daß aber ein Politiker dafür plädiert, das Problem zu einem allein der Opfer zu machen, verwundert doch. Antisemitismus ist ein Phänomen, das sinnigerweise vor allem dort diagnostiziert, angeprangert und bekämpft werden sollte, wo es verbreitet ist: und das sind in aller Regel nicht jüdische Gemeinden. Wer ihnen die Bekämpfung des Antisemitismus überlassen will, will sich feige drücken.

Konkurrenz statt Solidarität

Nach seiner Visite in Israel und dem Regime von Ramallah ist der deutsche Außenminister Heiko Maas nach New York gereist, um sich bei den Vereinten Nationen vorzustellen. Und auch der Besuch bei der Weltorganisation hat wieder mit dem von mehreren Amtsvorgängern des Sozialdemokraten gründlich ruinierten Verhältnis zwischen Deutschland und dem jüdischen Staat zu tun.

Deutschland bewirbt sich um einen der nichtständigen Sitze im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die für jeweils zwei Jahre vergeben werden. Um den gleichen Sitz allerdings, der im Juni vergeben wird, bewirbt sich auch Israel. Und nach Angaben der Regierung in Jerusalem, die ihr Interesse an dem Mandat 2005 äußerte, gab es mit Berlin Absprachen, nicht gegeneinander anzutreten.

Dennoch verkündete 2013 der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle den Einstieg Berlins in das Rennen um den im nächsten Jahr vakant werdenden Sitz im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen. Hatte Israel bis 2000 gegen arabische Konkurrenten keine Chance, wurde ein Erfolg zumindest wahrscheinlicher, als es zur Gruppe westeropäischer und anderer Staaten stieß.

Doch auch innerhalb dieser Gruppe dürften Deutschlands Erfolgsaussichten größer sein als die Israels. Mit Deutschlands Bewerbung kann also als ein Affront gegen Jerusalem gedeutet werden. Und falls es tatsächlich informelle Vereinbarungen gab, sich gegenseitig nicht zu behindern, so muß sogar von einem von der Regierung in Berlin bewußt herbeigeführten Affront ausgegangen werden.

Nach einigen positiv klingenden Aussagen des neuen deutschen Außenministers, mit denen er sich gerade von seinem unmittelbaren Amtsvorgänger absetzte, wäre es Zeit, Taten folgen zu lassen. Doch daran scheitert Heiko Maas bisher. Das wird einmal mehr deutlich, wirbt er in New York für Deutschland, statt Jerusalems Bemühungen um einen Platz im UN-Sicherheitsrat zu unterstützen.

Liberale Emanzipation

In der vergangenen Woche verhandelte der Deutschen Bundestag einen von der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) eingebrachten Antrag, mit dem die rechtsextreme Partei für ein »Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum« einsetzte. Für die Fraktion der FDP äußerte sich die Abgeordnete Katrin Helling-Plahr, die ihren bemerkenswerten Vortrag mit einem Zitat begann:

»Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Frauen sind dazu da, ihre Pflichten im Haus zu erfüllen. Nur in dringenden Notfällen dürfen sie das Haus verlassen. Dann aber müssen sie verschleiert sein.

So zitiert Friedensnobelpreisträgerin Malala in ihrem Buch aus einer der Radiopredigten des pakistanischen Talibanchefs.«

Doch wer nach einer solchen Einleitung ein Plädoyer für die Würde des Menschen, Gleichberechtigung und gegen Geschlechterapartheid erwartete, eine etwa am Grundgesetz orientierte Zurückweisung pakistanischer Taliban ebenso wie der AfD, der sah sich getäuscht. Die liberale Politikerin erklärte vielmehr, weshalb die Worte des Heiligen Kriegers in Deutschland geachtet werden sollten.

Es sei doch »offenkundig, was passieren würde«, wandte sich Katrin Helling-Plahr an die Antragsteller, »wenn Ihr Antrag Erfolg hätte: Frauen, die bisher [..] gezwungen werden, das Haus nur vollverschleiert zu verlassen, dürften das Haus künftig gar nicht mehr verlassen.« Und damit würden ihnen »das letzte bisschen Freiheit und das letzte bisschen Teilhabe an unserer Gesellschaft« geraubt.

Nun wäre es gewiß unangemessen, der AfD überbordende Menschenfreundlichkeit zu unterstellen. Ihr jedoch zu widersprechen, indem man für nichts anderes plädiert als für eine Unterwerfung des Rechtsstaats unter die Willkür von Taliban oder anderer religiöser Fanatiker, ist lächerlich. Wer argumentiert, Taliban hätten schon jetzt mehr zu sagen als das Grundgesetz, bestätigt die Extremisten.