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Alter Wein in alten Schläuchen

In einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, das in dieser Woche veröffentlicht wurde, stellte Dirk Niebel, von 2009 bis 2013 deutscher Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der berüchtigten UNRWA rückblickend ein beeindruckend schlechtes Zeugnis aus: Das »Palästinenserhilfswerk«, erklärte er, sei »mit den islamistischen Mördern« der Hamas »unauflöslich verbunden« und »teilweise personenidentisch«.

Und dennoch war Deutschland in den vergangenen Jahren einer der größten, teils sogar größter Geber des »Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten«.Versucht Dirk Niebel auch sein Versagen damit zu rechtfertigen, daß man seinerzeit ja nicht hätte ahnen können, wie tief die Bande zwischen Hamas und UNRWA tatsächlich seien, taugt spätestens seit diesem Interview Ahnungslosigkeit nicht mehr als Entschuldigung.

Politiker die heute der UNRWA Millionen zukommen lassen wollen, müssen wissen, daß sie damit auch die Hamas unterstützen. Das gilt erst recht, wenn sie wie Johann Wadephul und Florian Hahn selbst eine Einstellung der deutschen Finanzierung des Terroristen-Hilfswerks gefordert haben. Und dennoch findet sich im von den beiden Unionspolitikern mitverhandelten Vorschlag für einen Koalitionsvertrag keine entsprechende Formulierung.

Statt jede Zusammenarbeit UNRWA kategorisch auszuschließen, findet sich im Papier der Arbeitsgruppe 12 der blau gekennzeichnete und in Klammern gesetzte Satz: »Ohne umfassende Reform wird Deutschland die UNRWA nicht weiter finanzieren«, der damit den Unionsparteien zuzuordnen ist. Für die SPD stand derweil Svenja Schulze der Arbeitsgruppe vor, die offenbar keinerlei Änderungsbedarf bei der deutschen Haltung zur UNRWA sieht.

Angesichts dessen, was alles über das unheilvolle Wirken des UN-»Hilfswerks« bekannt ist, fällt es schwer zu sagen, welche Position skandalöser ist. Die SPD, die sich einmal stolz zu ihren auch jüdischen Wurzeln bekannte, tut so, als sei am und seit dem 7. Oktober 2023 nichts geschehen, was Zweifel an dem »Hilfswerk« wecken könnte, die Union hingegen weiß darum, beschränkt sich aber auf die Forderung nach »umfassenden Reformen«.

Darauf freilich hatten sich die Unionsparteien und die SPD übrigens bereits in ihrem Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 einmal verständigt: »Wir werden in der EU eine Initiative sowohl zur ausreichenden und nachhaltigen Finanzierung als auch der Reform des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ergreifen«. Was danach geschah, auch wegen der UNRWA geschehen konnte, ist bekannt.

Einsicht

Von 2005 bis 2009 Generalsekretär der FDP, wechselte Dirk Niebel anschließend als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in das zweite von Angela Merkel als Kanzlerin geleitete Kabinett und blieb bis Dezember 2013 in dem Amt. Während seiner Zeit als Minister schaffte der liberale Politiker es, sich den Respekt des SPIEGEL zu erwerben, weil er sich durchaus häufiger »mit Israel« anlegte.

Kurz nach Amtsantritt hatte das Wochenblatt Dirk Niebel vieldeutig nachgesagt, er »bringe noch eine ganz persönliche Agenda mit, die nicht nur mit entwicklungspolitischen Zielen zu tun hat: Der Liberale hat ein Jahr in einem Kibbuz in Israel verbracht«. Spätestens im Juni 2010, da hatte der Minister »die israelische Regierung [angegriffen]«, »weil sie ihm die Einreise in den Gaza-Streifen verweigert[e]«, wurde er rehabilitiert.

Jetzt, mehr als ein Jahrzehnt später, hat sich Dirk Niebel erneut zu Wort gemeldet. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen räumt er auch eigene Irrtümer bei der Bewertung der berüchtigten UNRWA in Gaza ein und kritisiert die geschäftsführende deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wegen ihrer ungbrochenen Unterstützung des »Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten« deutlich.

»Uns war schon klar, dass die UNRWA in Gaza auch mit der Hamas kommunizieren muss«, gibt er zu Protokoll, »doch dass sie mit den islamistischen Mördern unauflöslich verbunden ist, dass sie teilweise personenidentisch ist, das hätten wir niemals gedacht.« Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 gebe es jedoch »unzählige Beweise«, die diese Verstrickungen belegen. Das Festhalten Berlins an der UNRWA sei daher nicht zu rechtfertigen.

Eine mögliche Erklärung dafür sieht Dirk Niebel freilich im geplanten Karrieresprung Annalena Baerbocks zu den Vereinten Nationen. Die Außenministerin habe »ja presseöffentlich erklärt, eher würde sie zurücktreten, als die Mittel für die UNRWA einzustellen. Vielleicht geschah das damals schon in dem Wissen, dass sie künftig die Generalversammlung der Vereinten Nationen als Präsidentin leiten soll?« Das allerdings wäre »schäbig«. In der Tat.