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Angriff auf die FDGO

Die deutsche Regierung will, wie der Staatsfunk am Mittwoch kurz meldete, selbst auf Nachfrage »ihre Kriterien für eine Lockerung der« im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland verhängten »Kontaktsperren nicht vollständig offenlegen«. Die Meldung sollte aufhorchen lassen, wirft sie doch ein Schlaglicht auf das Demokratieverständnis der Regierung in Berlin.

Hatte Kanzlerin Angela Merkel Ende März verkündet, über ein Ende von Einschränkungen könne nachgedacht werden, wenn sich die Zeit, in der sich die Zahl der Neuinfektionen mit dem Virus verdoppele, »in Richtung von zehn Tagen« bewege, hieß es kurz darauf, »›zehn, zwölf oder mehr Tage‹ müsse es dauern, bis sich die Fallzahlen verdoppeln, dann könne über Lockerungen debattiert werden«.

Nicht erst seit gestern sind es stabil sogar eher »mehr Tage«, der SPIEGEL nennt auf seiner Website gegenwärtig eine Verdoppelungszeit von 16 Tagen, doch die deutsche politische Klasse findet offenbar immer mehr Gefallen am Ausnahmezustand, den sie freilich nicht so nennen will, an Grundrechtseinschränkungen und –aussetzungen, an der Herabwürdigung von Bürgern zu Untertanen.

Unverblümt brachte Herbert Reul diese Haltung zum Ausdruck, Innenminister in Düsseldorf: »Ich wette, wenn das alles vorbei [ist] und es uns wieder gut geht, wird es [..] viele kluge Leute geben, die uns dann genau sagen, an welcher Stelle, wer [..], wo, vielleicht, irgendwie vorschnell, zu schnell, nicht hundertachtzigprozentig exakt gehandelt hat. Ich kann ihnen nur sagen: Die Sorgen habe ich nicht.«

Diese Menschen mit ihren begründeten Einwänden gibt es bereits heute. Daß sie sich offen als »kluge Leute« verspotten lassen müssen, ihnen willentlich Informationen vorenthalten werden von Regierungen auf Landes- und Bundesebene, die sich rühmen, »nicht hundertachtzigprozentig exakt« zu handeln, bestätigt und verstärkt ihre Bedenken. Deutschland hat ganz gewiß nicht bloß ein Viren-Problem.

Liberale Emanzipation

In der vergangenen Woche verhandelte der Deutschen Bundestag einen von der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) eingebrachten Antrag, mit dem die rechtsextreme Partei für ein »Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum« einsetzte. Für die Fraktion der FDP äußerte sich die Abgeordnete Katrin Helling-Plahr, die ihren bemerkenswerten Vortrag mit einem Zitat begann:

»Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Frauen sind dazu da, ihre Pflichten im Haus zu erfüllen. Nur in dringenden Notfällen dürfen sie das Haus verlassen. Dann aber müssen sie verschleiert sein.

So zitiert Friedensnobelpreisträgerin Malala in ihrem Buch aus einer der Radiopredigten des pakistanischen Talibanchefs.«

Doch wer nach einer solchen Einleitung ein Plädoyer für die Würde des Menschen, Gleichberechtigung und gegen Geschlechterapartheid erwartete, eine etwa am Grundgesetz orientierte Zurückweisung pakistanischer Taliban ebenso wie der AfD, der sah sich getäuscht. Die liberale Politikerin erklärte vielmehr, weshalb die Worte des Heiligen Kriegers in Deutschland geachtet werden sollten.

Es sei doch »offenkundig, was passieren würde«, wandte sich Katrin Helling-Plahr an die Antragsteller, »wenn Ihr Antrag Erfolg hätte: Frauen, die bisher [..] gezwungen werden, das Haus nur vollverschleiert zu verlassen, dürften das Haus künftig gar nicht mehr verlassen.« Und damit würden ihnen »das letzte bisschen Freiheit und das letzte bisschen Teilhabe an unserer Gesellschaft« geraubt.

Nun wäre es gewiß unangemessen, der AfD überbordende Menschenfreundlichkeit zu unterstellen. Ihr jedoch zu widersprechen, indem man für nichts anderes plädiert als für eine Unterwerfung des Rechtsstaats unter die Willkür von Taliban oder anderer religiöser Fanatiker, ist lächerlich. Wer argumentiert, Taliban hätten schon jetzt mehr zu sagen als das Grundgesetz, bestätigt die Extremisten.