Schlagwort: Felix Klein

Freiheitskämpfer

Zahlreiche Menschen, die sich selbst als »jüdische Gelehrte und Künstler« vorstellen, fordern in einem Schreiben, das sie auch an Kanzlerin Angela Merkel und einige ihrer Minister adressierten, Felix Klein, den Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, zum Rücktritt auf, weil sie sich durch eine seiner Äußerungen angegriffen fühlen.

Felix Klein hatte bei einer Pressekonferenz aus Anlaß der Vorstellung des Kompetenznetzwerks Antisemitismus darauf hingewiesen, daß es Antisemitismus nicht bloß im rechten Lager zu bekämpfen gelte, sondern auch in Kreisen, die sich als »progressiv« verstehen. Verzichtete der Bundesbeauftragte dabei auf konkretere Angaben, fühlen sich die Briefschreiber aber offenbar doch angesprochen.

»Wen meinen Sie, aus welchem Grund«, fragen sie dann zwar, doch da haben sie schon erklärt, daß sie Felix Kleins Äußerungen als »zutiefst beleidigend« empfinden, eine Entschuldigung fordern, weil sie »rechtsextremen Antisemitismus« verharmlosten und von ihm ausgehende »akute Gefahren für Juden in Deutschland«. Dann allerdings tun sie – mit anderen Vorzeichen – selbst, was sie Felix Klein vorwerfen.

Sie nehmen nämlich die antisemitische BDS-Bewegung und deren Anhänger ausgerechnet mit dem »Argument« gegen Kritik in Schutz, daß deren Bedeutung in Deutschland marginal sei: »Sie«, werfen sie Felix Klein vor, »waren eine treibende Kraft hinter Versuchen, die Redefreiheit einzuschränken, indem Sie die BDS-Bewegung, deren Einfluß in Deutschland gering ist, kategorisch als antisemitisch bezeichneten [..].«

Es gibt nach Ansicht dieser »Gelehrten und Künstler« also einerseits offenbar »guten« Antisemitismus, der jedenfalls unter dem Schutz von Meinungs- und Redefreiheit stehen muß, wenn seine Bedeutung (noch) vergleichsweise gering, und Antisemitismus andererseits, der seiner weiten Verbreitung wegen abzulehnen sei. Nicht jede, die mit akademischen Titeln sich schmückt, scheint bei Sinnen.

Verfrühte Begeisterung

Die deutsche Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder haben am Donnerstag die Einsetzung einer ständigen Bund-Länder-Kommission gegen Antisemitismus beschlossen. Dem Gremium sollen neben Felix Klein, dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland, die von den Ländern benannten Beauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus angehören.

Schon vor ihrem ersten Treffen, das in der zweiten Jahreshälfte stattfinden soll, feierte ihr Vorsitzender Felix Klein die neue Kommission als »Meilenstein im Kampf gegen den Antisemitismus«, während Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ihre Einsetzung bereits etwas weniger enthusiastisch als einen aber immerhin noch »überaus sinnvollen Schritt« begrüßte.

Tatsächlich kann auch eine weitere neue Kommission kaum darüber hinwegtäuschen, daß die deutsche Politik sich am liebsten vor der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Phänomen Antisemitismus drückt. Erst 2009 konnte sich der Deutsche Bundestag durchringen, einen ersten Expertenkreis zum Thema einzusetzen, dem 2013 ein weiterer folgte, der 2017 seinen Abschlußbericht vorlegte.

Und wäre es nach den Parteien der Regierungsfraktionen gegangen, wäre dieser kurz vor dem Ende der Legislaturperiode im Deutschen Bundestag debattierte Bericht danach ohne Beschlußfassung zu den Akten gelegt und vergessen worden, ein Vorgehen, das der Zentralrat der Juden in Deutschland damals mit einiger Berechtigung als »unzureichend« und deshalb »sehr enttäuschend« kritisierte.

Dabei war es dieser Bericht, der neben der Ernennung eines Bundesbeauftragten für den Kampf gegen Antisemitismus auch die Einrichtung einer »Bund-Länder-Kommission zum Themenbereich Antisemitismus« anregte. Daß zwischen dem Vorschlag und dessen Umsetzung über zwei Jahre vergingen, läßt die vorschnelle Begeisterung über den »Meilenstein« doch eher unangebracht erscheinen.

Der Beauftragte

In der vergangenen Woche noch konnte die Regierung in Berlin auf eine entsprechende Nachfrage der Parlamentarierin Petra Pau keine Auskunft darüber geben, wann sie einen Beauftragten für die Bekämpfung von Antisemitismus ernennen werde und wie das Amt organisatorisch aufgebaut werden solle. »Dazu hat die Bundesregierung noch keine Entscheidung getroffen«, hieß es lediglich.

Dann jedoch wurde am Sonntag gemeldet, der im Auswärtigen Amt als Sonderbeauftragter für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen und Antisemitismusfragen tätige Felix Klein solle auf Vorschlag des Zentralrats der Juden in Deutschland den Posten übernehmen. Angesichts der zerrütteten deutsch-israelischen Beziehungen stellt sich freilich die Frage nach Erfolgen des Diplomaten.

Auch als Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, so die offizielle Bezeichnung des Amts, dürfte Felix Klein es nicht einfach haben. Gegenwärtig wird in Deutschland der Kampf gegen Antisemitismus vor allem als Feldzug gegen Migration geführt. Diskutiert wird, ob antisemitische Ansichten eine Ausweisung rechtfertigen.

Diesem Eifer gegenüber steht eine breite Akzeptanz des autochthonen Antisemitismus. Soll dort antisemitischen Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen werden können, feiert der Mainstream in ein paar Tagen den kommerziellen Erfolg von »Künstlern«, die in ihren »Werken« Opfer des Holocaust verhöhnen. Da wird Antisemitismus mit einiger Schärfe attackiert, dort wird er prämiert.

Hier müßte ein für die Bekämpfung von Antisemitismus zuständiger Beauftragter zweifellos zuvörderst aktiv werden. Wo brennende israelische Fahnen für Empörung sorgen, aber eine Schülerin, die gegen antisemitische »Scherze« ihrer deutschen Mitschüler vorgeht, steuerlich begünstigt als »Denunziantin« diffamiert wird, sind eben gerade nicht ein paar arabische Schreihälse das Problem.

Ein Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus wäre gefordert, jener Mehrheitsgesellschaft den Spiegel vorzuhalten, die ihn ernannte. Das ist gewiß keine leichte Aufgabe. Felix Klein meint, er sei als »Karrierediplomat [..] so trainiert, dass wir jeden Posten, den wir angeboten bekommen, annehmen«. Wird das reichen?