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Wenn das Es übernimmt

In mehreren deutschen Städten demonstrierten am Wochenende viele Menschen für bezahlbare Mieten. In Berlin, wo nach Medienangaben 35.000 Menschen an den Kundgebungen teilnahmen, begann zugleich eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren mit dem Ziel, den Wohnungsbestand von Großvermietern zu vergesellschaften, die für hohe Mieten verantwortlich gemacht werden.

Zu den Gegnern eines solchen Volksbegehrens auf politischer Ebene zählt Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, der für seine Abneigung einen ganz besonderen Grund benennt: »Ist die Initiative erfolgreich, werden jüdische Eigentümer in Deutschland möglicherweise zum zweiten Mal enteignet«. Es lohnt, über diese Worte nachzudenken, was der Sozialdemokrat wohl versäumte.

Wieso kommen Michael Müller nach dem Gedanken an in Berlin aktive Großvermieter und deren – nicht grundlos, wie Statistiken belegen – umstrittene Mietpreispolitik sogleich Juden in den Sinn? Will er suggerieren, Berlin sei von Juden aufgekauft und werde nun von ihnen ausgepreßt, wogegen man aber – leider, leider – nichts machen könne wegen der Nationalsozialisten und ihrer Verbrechen?

Oder sieht der Politiker, der sein Amt der Unterstützung einer Partei verdankt, die dem Volksbegehren positiv gegenübersteht, in den Demonstranten – unter ihnen auch jüdische Bürger der Stadt – die Vorboten eines Vierten Reichs? Sind Großvermieter die Juden von heute müssen vor den Arisierern von morgen geschützt werden? Wahrlich, Antisemitismus manifestiert sich auf vielfältige Weise.

Nicht zuständig

Am kommenden Mittwoch beginnt in der deutschen Hauptstadt die diesjährige Internationale Tourismusbörse (ITB). Die, so die Selbstauskunft, »Leitmesse der weltweiten Reisebranche« wird von der Messe Berlin GmbH veranstaltet, einem Unternehmen, das zu über 99 Prozent dem Land Berlin gehört. Und doch fühlt sich die politische Führung der Stadt nicht verantwortlich für die ITB 2019.

Die Tourismusmesse steht bereits seit einiger Zeit für die Wahl Malaysias zum offiziellen »Partnerland« in der Kritik. Die Organisation Reporter ohne Grenzen vergibt für den islamischen Staat den Platz 145 (von 180) auf ihrem Pressefreiheitsindex, das Land rangiert damit weit hinter Afghanistan oder »Palästina«. Freedom House urteilt, Malaysia sei bestenfalls ein »teilweise freies« Land.

Während die ITB sich für ihr Motto rühmt, »es lebe die Vielfalt«, und angibt, mit ihrem »LGBT Travel Pavillon [sic!]« das »größte Angebot an Urlaubsmöglichkeiten im LGBT Segment weltweit [sic!]« zu präsentieren, werden Bi- oder Homosexualität in Malaysia kriminalisiert und verfolgt. Sexuelle Selbstbestimmung ist in dem Partnerland der ITB 2019 nicht einmal als Fremdwort bekannt.

Ende Januar wurde Malaysia vom Internationalen Paralympischen Komitee das Recht aberkannt, im Sommer die Schwimm-WM des Verbandes auszutragen, nachdem das Land, das »so vielseitig und gleichzeitig so einfach und unkompliziert zu bereisen« ist, wie es auf der ITB in wenigen Tagen heißen wird, israelischen Sportlern die Einreise verweigerte. Antisemitismus gehört zur Staatsdoktrin.

Dennoch sieht das Land Berlin keinen Handlungsbedarf, die hervorgehobene Darstellung Malaysias auf seiner Messe zu verhindern. Die sei »keine Veranstaltung, die landespolitische Fragestellungen berühre«, wird die Senatskanzlei zitiert, der Regierende Bürgermeister der Stadt, Sozialdemokrat Michael Müller, nicht zuständig. »Die Außenpolitik wird von der Bundesregierung verantwortet«.

Und dort ist dafür Heiko Maas zuständig, ein Genosse Michael Müllers. Der Chef des Auswärtigen Amts fordert gern: »Wir müssen aufstehen gegen Antisemitismus!« Oder: »[S]tellen wir uns jeder Form von Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung [..] entgegen. Jeden Tag, überall.« Doch auch er schweigt zur ITB und deren Partnerland. Wohl eine weitere »diplomatische Gepflogenheit«.

Willkommenskultur

Vor wenigen Tagen hat das Internationale Paralympische Komitee (IPC) Malaysia das Recht entzogen, die Schwimm-Weltmeisterschaft auszutragen, die dort am 29. Juli beginnen sollte. Die Regierung in Kuala Lumpur hatte sich zuvor geweigert, israelische Sportler zu dem Wettbewerb einreisen zu lassen, und ließ sich auch durch Kritik an dieser antisemitischen Entscheidung nicht umstimmen.

Das IPC hat sich mit seinem durchaus riskanten Entschluß – noch ist nämlich nicht klar, wann und wo nun die geplanten Wettkämpfe stattfinden werden – vorbildlich einem offen einem Regime entgegengestellt, dessen Antisemitismus damit quasi »amtlich« geworden ist. Man wünschte sich eine ähnliche Konsequenz auch im und vom Land der Sonntagsreden gegen Haß auf Juden und Israel.

Wenn am 6. März, in gut einem Monat also, die Internationale Tourismusbörse (ITB) in Berlin eröffnet, wird das offizielle Partnerland dieser »Leitmesse der weltweiten Reisebranche« nach bisherigem Stand Malaysia heißen und etwa mit diesen Worten gefeiert werden: »Malaysia hat so viel zu bieten – kaum ein Land ist so vielseitig und gleichzeitig so einfach und unkompliziert zu bereisen«.

Die ITB in Berlin wird ausgerichtet von der Messe Berlin GmbH, die zu über 99 Prozent dem Land Berlin gehört. Der Regierende Bürgermeister der deutschen Hauptstadt, der SPD-Politiker Michael Müller, hat einmal behauptet, »Antisemitismus hat in unserer Stadt keinen Platz«. Mit Malaysia als Partnerland seiner Internationalen Tourismusbörse zeigt Berlin, wie wertlos solche Worthülsen sind.