Schlagwort: Parlamentswahl

Ausstiegsszenario

In gut einem Monat soll in den umstrittenen Gebieten und Gaza ein neuer »Palästinensischer Legislativrat« bestimmt werden. Die Wahl zu diesem »Parlament« bildet den Auftakt zu zwei weiteren Wahlen, mit denen noch in diesem Jahr über einen »Präsidenten« und über die Zusammensetzung des »Palästinensischen Nationalrats«, des obersten Legislativorgans der PLO, entschieden werden soll.

Zwar sind die organisatorischen Vorbereitungen zu den Wahlen bereits weit fortgeschritten, doch es ist durchaus noch nicht sicher, daß sie stattfinden wie geplant. Für den Fall einer Absage oder einer Verschiebung einer der drei geplanten Wahlen ist bereits Israel als Sündenbock ausgemacht, dessen Regierung sich noch nicht dazu geäußert hat, ob sie bereit ist, Wahllokale in Ost-Jerusalem zu dulden.

Tatsächlich muß die »Palästinenserführung« in Ramallah fürchten, nicht erfolgreich aus den Wahlen hervorzugehen. Versuche, ihre Ergebnisse durch Manipulationen im Vorfeld im Sinn des PLO-Regimes zu beeinflussen, sind zumeist gescheitert, Streitereien innerhalb der Fatah, die das amtierende Regime (und die PLO) dominiert, haben die Organisation »Präsident« Abu Mazens erheblich geschwächt.

In der Folge muß die korrupte Clique um den greisen »Palästinenserführer« um ihre Zukunft fürchten, ihre Mitglieder womöglich gar um Gesundheit und Leben. Sollte sich etwa die Hamas durchsetzen, die international als terroristisch »anerkannte« Organisation hätte nie zur Wahl zugelassen werden dürfen, droht ein blutiger Machtwechsel, ein Szenario, das die potentiellen Opfer abwenden wollen.

Um ihr Gesicht für den Fall einer Wahlabsage zu wahren, versuchen sie daher nun, Israel präventiv dafür verantwortlich zu machen: Mit ihrer Forderung, die Wahlen müßten auch in Ost-Jerusalem stattfinden dürfen, provoziert die »Palästinenserführung« einen Konflikt, mit dem sie eine Wahlabsage begründen zu können hofft. Tatsächlich indes geht es ihr durchschaubar allein um den Machterhalt.

Weichenstellung

Mit dem 31. März endete die von der »Palästinensischen Zentralen Wahlkommission (CEC)« in Ramallah gesetzte Frist zur Anmeldung von Kandidatenlisten zu der für Mitte Mai geplanten Wahl eines »palästinensischen Parlaments«, des »Palästinensischen Legislativrats (PLC)«. Nach den Angaben der CEC sind 36 Wahlvorschläge eingegangen, von denen 13 bereits geprüft und zugelassen wurden.

In den nächsten Tagen, so die CEC, werde sie die restlichen Vorschläge prüfen und bis zum 6. April über deren Zulassung entscheiden. Ganz nach Plan der »Palästinenserführung« um »Präsident« Abu Mazen und dessen Fatah läuft es freilich nicht. Hatte die Fatah vorgehabt, durch Manipulationen bereits im Vorfeld der Wahlen ein ihr genehmes Wahlergebnis zu sichern, ist das gründlich schiefgegangen.

Weder kam es zur Bildung einer gemeinsamen Liste mit der islamistischen Hamas, die nun mit eigenen Kandidaten antritt und auf Erfolge hoffen darf oder bei deren Nichtzulassung ihre »Ansprüche« mit Gewalt durchzusetzen versuchen dürfte, noch konnten aussichtsreiche interne Rivalen der Clique um Abu Mazen hinreichend »diszipliniert« werden. Mit eigenen Listen schwächen sie nun die Fatah.

Zuletzt kündigte auch der in Israel inhaftierte Marwan Barghouti eine eigene Liste an, die er zusammen mit einem Neffen Yassir Arafats und weiteren Gleichgesinnten ins Leben rief, die darüber mit der Fatah brachen. Der »Ruhm« ihres »Parteiführers« gründet in der Rolle, die er insbesondere während der Zweiten Intifada spielte und die ihm schließlich eine mehrfach lebenslange Haftstrafe einbrachte.

Hat die »Palästinenserführung« in Ramallah ohnehin durch ihre Weigerung, terroristische Organisationen wie die Hamas von der Wahlteilnahme auszuschließen, die Weichen in eine grundsätzlich falsche Richtung gestellt, hat sie ihr »gemäßigtes« – was auch immer das heißen mag – Lager im Anschluß daran noch weiter geschwächt, indem sie mit ihrer Selbstherrlichkeit dessen Zersplitterung förderte.

Fahrlässiges Desinteresse

Falls die für den 22. Mai geplanten Wahlen zum »Palästinensischen Legislativrat (PLC)«, dem »palästinensischen« (Schein-)Parlament, stattfinden wie vorgesehen, wird sich daran auch die islamistische Hamas beteiligen und, legen Umfragen nahe, dabei einige Erfolge erzielen können, Erfolge, die nicht nur in Israel Unbehagen wecken. Arabische Staaten sollen deshalb für eine Absage plädieren.

Wie die Hamas beklagt, gibt es mehrere arabische Staaten, die die insgesamt drei Wahlen, zu denen die »Palästinenser« in diesem Jahr aufgerufen werden, zwar mit Lippenbekenntnissen unterstützen, sich bei »Präsident« Abu Mazen aber gegen eine Zulassung der in Gaza herrschenden Terrororganisation aussprechen und – bislang allerdings erfolglos – auf eine Verschiebung der Urnengänge drängen.

Während irre europäische »Denker« regelrecht für die Islamisten schwärmen, scheint in einigen arabischen Hauptstädten, darunter wahrscheinlich Amman und Kairo, sich die Vernunft durchzusetzen. Die Hamas erhofft sich von den Wahlen nicht bloß Bestätigung, sondern sieht, wie ihr »Politbüro«-Chef Ismael Haniyeh darlegte, in ihr einen Impuls für einen erneuerten »nationalen Kampf« gegen Israel.

Die Wahlen könnten damit die gleichwohl relative Ruhe im »palästinensisch«-israelischen Konflikt beenden und ihn neuerlich aufflammen lassen, sondern darüber hinaus neben einem erneuten Ausbruch gewaltsamer inner-»palästinensischer« Konflikte, die sich bereits jetzt durch Streit innerhalb der dadurch sich schwächenden Fatah zeigen, weitere Instabilität in der gesamten Region verursachen.

Daß sich insbesondere Europa, das als größte Geldgeber »Palästinas« in Ramallah gewiß alles andere als ohne Einfluß ist, jedenfalls derzeit nicht gewillt zeigt, seine finanzielle und ideelle Unterstützung der »palästinensischen« Wahlen an die Einhaltung der vier Grundprinzipien des Nahost-Quartetts, zumal die EU ihm ja angehört, zu knüpfen, ist vor diesem Hintergrund nur fahrlässig zu nennen.

Qual der Wahl

Am Dienstag sind die Bürger Israels einmal mehr aufgefordert, ein neues Parlament zu wählen. Die vierte Knesset-Wahl innert zweier Jahre dürfte ähnlich knapp ausgehen wie die zuvor, am Ende der Stimmauszählung kein eindeutiger Sieger feststehen. Mit einiger Sicherheit läßt sich aber schon vorhersagen, wer nach dieser Wahl keine Rolle spielen wird: Benny Gantz und sein Bündnis Blue and White.

Das ist einerseits durchaus verdient. Hatte der Blue and White-Spitzenkandidat Benny Gantz seinen letzten Wahlkampf mit dem Versprechen bestritten, nicht mit Benjamin Netanjahu koalieren zu wollen, war er es schließlich, der dem Likud-Politiker den Amtsverbleib sicherte. Errang Blue and White im März 2020 auf 33 Parlamentssitze, droht dem Bündnis nun ein Scheitern an der 3,25 Prozent-Hürde.

Andererseits jedoch wäre die absehbare Bedeutungslosigkeit Benny Gantz’ zumindest dann unverdient, wird in ein paar Wochen oder Monaten der israelische Ministerpräsident noch immer Benjamin Netanjahu heißen. Ihm und dem Likud wird ein ähnliches Ergebnis prognostiziert wie vor einem Jahr. Damals reichte es für 36 Parlamentssitze, zwölf Monate später dürften es ca. 34 Mandate werden.

Damit würden die Wähler eine Politik belohnen, die in vielen Bereichen erfolgreich war. Israel gilt international als Vorbild beim Umgang mit dem Covid-19-Virus – die Bürger des jüdischen Staates können ihre Stimmabgabe am Strand feiern, wenn sie wollen. Und auch außenpolitisch konnte Premier Benjamin Netanjahu punkten: Immer mehr arabische Staaten normalisieren ihr Verhältnis zu Jerusalem.

Und da es Benny Gantz war, der mit seinem Wortbruch Benjamin Netanjahu den Amtserhalt erst ermöglichte und damit seine politischen Erfolge, wäre es eigentlich nur angemessen, profitierte auch er von ihnen. Das scheint allerdings ausgeschlossen. Und so wird es vielleicht doch noch spannend: Wer wird diesmal Benjamin Netanjahu zum Verbleib im Amt verhelfen dürfen? Und für wie lange?