Schlagwort: Richard Wagner

Barbarenfest

Erwartet werden Angela Merkel, ehemalige Kanzlerin, und Ursula von der Leyen, die amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission, angesagt haben sich Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur, Bettina Stark-Watzinger, Ministerin für Bildung und Forschung, und weitere deutsche Prominenz. In brachiale Klänge gegossener Antisemitismus hat nichts an seiner Attraktivität eingebüßt im Land der Dichter und Henker.

Im bayerischen Bayreuth werden am Dienstag die diesjährigen Festspiele eröffnet, mit denen wie in den über hundert Jahren zuvor nur einer geehrt und gefeiert wird: Richard Wagner, der sich seinen Ruf, zeitlebens ein glühender Antisemit gewesen zu sein, nicht nur mit wüster Hetztraktaten gegen »den Einfluß der Juden auf unsere Musik«, sondern auch mit deshalb garantiert deutschen Kompositionen redlich erworben hat.

Und alle Jahre wieder sind die Bayreuther Festspiele, an deren Finanzierung neben Bayreuth selbst auch der Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland zu nicht unwesentlichen Teilen beteiligt sind, ein Gradmesser dafür, was Bekenntnisse wert sind, in denen Antisemitismus »auf das Schärfste« verurteilt und konstatiert wird, der in Deutschland besonders mörderische Haß auf Juden habe »bei uns keinen Platz«.

Jene Werke, mit denen »Ärzte« in Konzentrationslagern die Opfer ihrer »medizinischen« Versuche zusätzlich folterten und zugleich deren Schmerzensschreie übertönten, sollten in zivilisierten Gesellschaften selbstverständlich geächtet sein, jedenfalls nicht Gegenstand öffentlicher Förderung. In Deutschland freilich vermag man zu »differenzieren«, »Künstler« oder gar »Genie« und Werk zu trennen und unbeschwert zu genießen.

Deutsche Festspiele

Sorgten Covid-19-Pandemie und -Hysterie vor zwölf Monaten noch für einen kalten Entzug, konnten selbst verheerende Unwetter im Westen Deutschlands und deren katastrophale Folgen nicht verhindern, daß sich an diesem Wochenende wieder allerlei politische Prominenz in Bayreuth traf, um der Eröffnung der allein der Huldigung Richard Wagners gewidmeten dortigen Festspiele beizuwohnen.

Und während in Deutschland unter ihrer Aufsicht darauf hingearbeitet wird, sogenannte »Impfunwillige« zu stigmatisieren, auszugrenzen und ihnen Grund- und andere Rechte zu entziehen, huldigte in Bayreuth die deutsche Kanzlerin Angela Merkel einmal mehr – »endlich«, wie es ihr entfahren sein soll, wieder – einem Antisemiten, der die deutsche Musik von jüdischen Einflüssen »befreien« wollte.

In einem offiziellen Festjahr, mit dem 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert werden sollen, demonstrierten die Bundeskanzlerin, Ministerpräsident Markus Söder, der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans und zahlreiche weitere Vertreter der gewiß sehr deutschen Gesellschaft mit Anwesenheit und Applaus besonderen Humor.

Die Festspiele, ein »Marathon« des »Respekt[s] vor dem einzigartigen Schaffen Richard Wagners«, waren und sind Feiern des Antisemitismus, des Respekts vor einem »Genie von Weltrang«, dessen Schriften »das Scharnier« bildeten, »das die christliche Judenfeindschaft der Vergangenheit mit dem rassistischen Antisemitismus der Zukunft verband«. In Bayreuth waren Deutsche wieder ganz bei sich.

Deutsches Fest

Am Donnerstag beginnt in Bayreuth der diesjährige »Marathon« des »Respekt[s] vor dem einzigartigen Schaffen Richard Wagners«, die Bayreuther Festspiele, zu deren Eröffnung neben der deutschen Kanzlerin allerlei weitere gesellschaftliche Prominenz erwartet wird, die mit ihrem Applaus einmal mehr deutlich demonstrieren wird, daß Antisemitismus ein sehr deutsches Phänomen ist.

Auch die bayerische Politik wird zahlreich vertreten sein, nicht eingeladen zu der »großartige Kulturveranstaltung« wurde allerdings die Führung der blaubraunen Fraktion im Bayerischen Landtag, die sich deshalb gar bitterlich über diese »undemokratische Ungleichbehandlung« beschwert, darüber, daß das Fest des Antisemiten Richard Wagner »nun leider parteipolitisch missbraucht« werde.

Dabei, so Katrin Ebner-Steiner, die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Landtag in München, gehe es doch um »Kultur«, großartige deutsche Kultur, die Richard Wagner von allem Jüdischen »befreien« wollte. Inszeniert sich die »Alternative für Deutschland« gern als einzige Partei in Deutschland, die tatsächlich Antisemitismus bekämpft, ist ihr Jammer ob ihrer Nichteinladung doch recht peinlich.

Denn wer so sehr dabei sein will bei dem antisemitischen Spektakel, entlarvt damit die eigene Verlogenheit nicht weniger als die, die sich einladen lassen. Zivilisierte Menschen würden sich schlicht jeden Gedanken daran verbitten, sie könnten überhaupt vorbeikommen, sie würden die öffentliche Finanzierung dieses Fests des Judenhasses skandalisieren. Die AfD aber ist doch bloß so deutsch wie es.

Deutsche Zivilgesellschaft

»Was wäre Bayreuth ohne die Kanzlerin?« wollte am Dienstag Die Welt wissen, um sogleich zu verkünden, daß die Frage auch 2019 ohne Antwort bleibt: »Angela Merkel gehört auch in diesem Jahr zusammen mit ihrem Mann wieder zu den Premierengästen« der Ende Juli beginnenden Bayreuther Festspiele, eines »Marathons« des »Respekt[s] vor dem einzigartigen Schaffen Richard Wagners«.

Mit ihrem Besuch der Bayreuther Festspiele werden neben der deutschen Kanzlerin auch einige Minister ihres Kabinetts, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sowie weitere mehr oder weniger Prominente erneut vorführen, daß Antisemitismus in Deutschland zuhause ist. Denn Richard Wagner war ein glühender Antisemit, der rasende Haß auf die Juden prägte sein gesamtes Schaffen.

Zwar gibt es auch Stimmen, die sich ihren »tiefgründigen Respekt« schönzureden versuchen, indem sie erklären, man müsse doch trennen zwischen Person und Werk. Für die ehemalige CDU-Vorsitzende freilich kann diese ohnehin nur allzu billige Ausrede jedoch gewiß nicht (mehr) gelten, seit im Frühjahr 2019 im Kanzleramt in Berlin die Bilder des Malers Emil Nolde abgehängt wurden.

Der Künstler war – als Person – ein begeisterter Nationalsozialist, der aus seinem Haß auf Juden erst dann ein Geheimnis zu machen versuchte, als sein geliebtes Reich bedingungslos hatte kapitulieren müssen. Emil Noldes Bilder allerdings galten vor 1945 als »entartet«, ein Attribut, mit dem Richard Wagners in der Tat schreckliches »einzigartiges Schaffen« wohl niemals ernsthaft belegt wurde.

Doch wer Emil Noldes Bilder abhängen läßt – selbst wenn die Initiative dafür nicht von Angela Merkel ausging, ging ihr Kanzleramt doch nicht gegen Überschriften vor, die genau das behaupteten: »Angela Merkel hängt Bilder von Nolde ab« -, weil der als Person war, wer er war, der kann nicht Richard Wagners Schaffen feiern, ohne damit zugleich den zu meinen, der dafür verantwortlich ist.

Nur für Deutsche

Auch wenn die deutschen Eliten gern erklären, für Antisemitismus sei kein Platz in ihrem schönen Deutschland, so sind sie es doch, die in immer wieder und darüber immer weiter hoffähig machen. Alle Jahre etwa trifft sich, was Rang hat und Namen in Deutschland, im bayerischen Bayreuth, um ein »Genie von Weltrang« zu feiern, wie Horst Seehofer, derzeit Heimatminister, einmal sagte.

Es geht um Richard Wagner, einen Antisemiten, der aus seinem Haß auf Juden nie ein Geheimnis machte und der nicht bloß ein »Mitläufer« war, der dem Zeitgeist nicht widerstehen wollte, sondern ein lauter Hetzer, der den Ton angab. Seine Schriften bildeten »das Scharnier, das die christliche Judenfeindschaft der Vergangenheit mit dem rassistischen Antisemitismus der Zukunft verband«.

Und doch pilgerten sie auch in diesem Jahr wieder nach Bayreuth, die Regierungschefin Angela Merkel ebenso wie der Oppositionspolitiker Christian Lindner, der das Ereignis nutzte, seine neue Lebenspartnerin vorzuführen, der »Fernsehstar« Thomas Gottschalk oder der Schauspieler Udo Wachtveitl. Natürlich, sie kamen nicht, einer Lesung aus »Das Judenthum in der Musik« zu lauschen.

Sie genossen den »Lohengrin« und waren nicht weniger begeistert über die Aufführung als Friede Springers Welt. Vor ein paar Wochen war dort zu lesen, wie Christian Thielemann, der in Bayreuth dirigierte, sich das »Genie« schönredet: »Bei ihm ist es ja so, dass die vielen Versuche, seinen Antisemitismus auch innerhalb seiner Musik und seinen Werken nachzuweisen, nicht gelungen sind.«

Und daher gelte, »Person und Werk muss man voneinander trennen«. Muß man? Als Richard Wagner seine zuvor anonym publizierte Schrift »Das Judenthum und die Musik« unter seinem Namen neu herausbrachte, hatte er ihre antisemitischen Passagen noch einmal verschärft. Doch ausgerechnet sein musikalisches Schaffen soll unbeeinflußt geblieben sein vom Geist, der ihn dazu antrieb?