Schlagwort: Ruhrtriennale

Feine Gesellschaft

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Absetzung der Intendantin der Ruhrtriennale gefordert. Nachdem Stefanie Carp bereits in den Vorjahren wegen ihrer Einladungspolitik kritisiert wurde, stößt in diesem Jahr ihre Entscheidung für den kamerunischen Historiker und Politikwissenschaftler Achille Mbembe als Eröffnungsreferent des internationalen Kunstfestivals auf Widerspruch.

Das Festival sei der Corona-Krise wegen inzwischen abgesagt worden, dennoch habe er »keinerlei Verständnis für die Einladung«, die zeige, daß sich Stefanie Carps »Einstellung überhaupt nicht geändert« habe, wie Zentralratspräsident Josef Schuster gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung erklärte. Er könne »nicht mehr nachvollziehen, dass sie weiterhin Intendantin der Ruhrtriennale ist«.

Zwar ist mit Barbara Frey, die die Ruhrtriennale ab 2021 leiten soll, eine Nachfolgerin für die umstrittene Stefanie Carp benannt. Dennoch ist es ein Skandal, daß sie ihre Amtszeit offenbar regulär beenden können soll, ist sie doch eine Wiederholungstäterin, die bereits auf ihrer ersten Ruhrtriennale 2018 unter Berufung auf die Meinungsfreiheit der antisemitischen BDS-Bewegung eine Bühne bot.

Problematischer noch als die Noch-Intendantin selbst ist freilich, daß Stefanie Carp breite Unterstützung auch und gerade aus der nordrhein-westfälischen Landespolitik erhält, wie Alan Posener kürzlich unter Berufung auf nicht näher benannte Insider in der Tageszeitung Die Welt anmerkte: »So soll es [Norbert] Lammert gewesen sein, der Carp vor zwei Jahren vor einem Rauswurf bewahrt hat.«

Norbert Lammert gehörte von 1986 bis 2008 als Vorsitzender des CDU-Bezirksverbands Ruhrgebiet dem Landesvorstand der Partei in Nordrhein-Westfalen an, von 2005 bis 2017 war er Präsident des Deutschen Bundestags in Berlin, seit Januar 2018 ist er Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), der mit dieser Karriere einiges »politisches Gewicht« haben dürfte, so Alan Posener.

Stefanie Carps fortgesetztes Hofieren antisemitischer Künstler oder Wissenschaftler wirft damit zugleich ein Schlaglicht auf Teile der deutschen Gesellschaft, in denen es en vogue ist, sich als Vorkämpfer gegen Antisemitismus zu inszenieren. Wie glaubwürdig solche Bekenntnisse sind, zeigt sich daran, daß die Forderung nach Stefanie Carps Absetzung von Josef Schuster ausgeht, ausgehen muß.

Anschlag auf die Zivilisation

Will ein Künstler in Israel auftreten, ein Wissenschaftler einen Vortrag an einer israelischen Universität halten, reisen israelische Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer ins Ausland, ist ihnen der laute und nicht selten mit Gewaltandrohungen und tatsächlicher Gewalt verbundene »Protest« von Anhängern der 2005 ins Leben gerufenen weltweiten judenfeindlichen BDS-Bewegung sicher.

Geht es um Kultur oder Wissenschaft, ist das Motto der in der antisemitischen Bewegung Organisierten in wenige Worte zu fassen: Keine Kunst für, von oder mit Juden, keine Wissenschaft für, von oder mit Juden. Die BDS-Extremisten, die für sich gern beanspruchen, Menschenrechte zu verteidigen, verraten sie mit jedem ihrer »Proteste« zur Stigmatisierung und Ausgrenzung von Juden.

Das kann, das muß schlicht wissen, wer nach durchaus einiger öffentlicher Aufregung Repräsentanten der Bewegung einlädt, um mit ihnen das »Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Freiheit von Kunst« zu bereden. Bei BDS jedoch geht es nicht um Fragen von Kunst-, Meinungs- oder Wissenschaftsfreiheit. BDS will judenreine Kultur und Wissenschaft, Juden aus ihnen eliminieren.

Und wer eine solche Diskussion auf einen Sonnabend legt und so signalisiert, daß Juden in ihr nicht erwünscht sind, ergreift spätestens damit auch Partei für die, die selbst zivilisatorische Mindesstandards mit Füßen treten. Stefanie Carp hat eine antisemitische Band zunächst ein-, dann ausgeladen, nur um sich einer antisemitischen Erpressung zu beugen und die Young Fathers wieder einzuladen.

Statt ihren Kniefall vor dem Erpressungsversuch arabischer Künstler und ihren insgesamt dilettantischen Umgang mit der BDS-Bewegung wenigstens rückblickend zu bedauern, bietet Stefanie Carp nun Antisemtiten eine Bühne und BDS-Vertretern ein leider allzu prominent besetztes Podium. Stefanie Carp sollte als Intendantin, die der letzten Ruhrtriennale vorstand, in Erinnerung bleiben.