Schlagwort: Simon Wiesenthal Center

Faule Ausrede

Deutschland stimmt, wie das Simon Wiesenthal Center kritisiert, in den Vereinten Nationen regelmäßig für antiisraelische Beschlüsse. In der UN-Vollversammlung votierte Christoph Heusgen, der UN-Botschafter Berlins, 2018 für 16 Resolutionen, mit denen Israel »in unangemessener Form angeprangert, einseitig behandelt und ausgegrenzt« wurde, um Außenminister Heiko Maas zu zitieren.

In diesem Jahr stimmte der deutsche Diplomat, der vor seiner Entsendung nach New York Kanzlerin Angela Merkel als Berater zur Seite stand, bisher für neun antiisraelische Resolutionen, zu denen am vergangenen Freitag sieben weitere kamen. Dennoch behauptet Berlin, daß Deutschland sich »schon lange ausdrücklich und auf vielfache Weise gegen eine unfaire Behandlung Israels einsetzt«.

Man habe nämlich »schon vielfach« in Gesprächen über konkrete Formulierungen von Beschlüssen »eine Entschärfung von Formulierungen bewirken« können. »Heusgen mit Antisemitismus in Verbindung zu bringen, ist abwegig«, gibt sich Berlin überzeugt, die Kritik des SWC sei »falsch« und ein »großer Fehler«. Gleichwohl allerdings bleibt auch »entschärfter« Antisemitismus antisemitisch.

Und deshalb bleibt Berlin unglaubwürdig. Tatsächlich nämlich werden Resolutionen durch ihre verbale »Entschärfung«, die jedoch nichts an ihrem antisemitischen Charakter ändert, zustimmungsfähiger. Staaten, die allzu scharfe Formulierungen nicht mittragen und sich in einer Abstimmung zumindest enthalten würden, stimmen nach einer »Entschärfung« sehr wahrscheinlich doch wieder zu.

Bei den Vereinten Nationen ist antiisraelischen Beschlüsse die »automatische« Mehrheit islamischer und einiger weiterer Staaten sicher. Antisemitische Resolutionen für die anderen Staaten »gefälliger« zu gestalten, ist vor diesem Hintergrund aber alles andere als Einsatz gegen Antisemitismus. Denn gerade dadurch wird sonst vielleicht abstoßender Haß vielmehr gesellschaftsfähig(er).

Die »Entschärfung von Formulierungen«, für die Berlin in seiner ganzen Arroganz Lob erwartet, sorgt für größere Mehrheiten, für eine noch verstärkte und verschärfte Außenwirkung: Ein Beschluß, dem islamistische oder andere Unrechts-Regimes zustimmen, hat weniger Gewicht als einer, den etwa die europäischen Demokratien stützen. Berlin Engagement gegen Antisemitismus ist eines für ihn.

Berliner Widerspruch

Die ablehnende Reaktion Berlins auf die Plazierung ihres Vertreters bei den Vereinten Nationen auf der vom Simon Wiesenthal Center vorgestellten Liste der bedeutendsten antisemitischen Vorfälle der vergangenen zwölf Monate ist keine Überraschung. Mehr noch als die beschämende Plazierung selbst stellt sie allerdings eine Regierung bloß, die ihr Bekenntnis gegen Antisemitismus nie ernst meinte.

Das SWC rügt mit seiner Liste das Abstimmungsverhalten Christoph Heusgens, des deutschen UN-Botschafters, der am Freitag sieben von acht gegen Israel gerichteten Resolutionen in der UN-Vollversammlung zustimmte und sich bei einer enthielt. Alle acht Beschlüsse wurden von Jerusalem und Washington abgelehnt; Kanada votierte gegen sechs Resolutionen und enthielt sich bei zwei weiteren.

Nach Auskunft Berlins spiegeln auch die Voten Christoph Heusgens am Freitag nur die Haltung der deutschen Regierung. Sein »Abstimmungsverhalten wird in Berlin und nicht in New York festgelegt«, erklärte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts dazu gestern, das sich, wie sie ergänzte, »schon lange ausdrücklich und auf vielfache Weise gegen eine unfaire Behandlung Israels« einsetze.

In der Tat hat Außenminister Heiko Maas erklärt, »bis heute« werde Israel »in UN-Gremien in unangemessener Form angeprangert, einseitig behandelt und ausgegrenzt«, und »diesen Zustand« als »schmerzlich und unbefriedigend« bezeichnet. An dieser Stelle drängt sich jedoch die Frage auf, welchen Anteil die Anweisungen Berlins an Christoph Heusgen an diesem »Zustand« haben könnten.

Deutschland stimmt praktisch immer mit der Mehrheit der UN-Vollversammlung. Setzt es sich damit »gegen eine unfaire Behandlung Israels« ein, tut das zugleich auch die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Vollversammlung der Weltorganisation. Wie kommt dann aber Heiko Maas darauf, Israel werde »in unangemessener Form angeprangert, einseitig behandelt und ausgegrenzt«?

Meint er mit seinem Vorwurf etwa das Abstimmungsverhalten der Vereinigten Staaten, das Israels oder etwa jenes der Repräsentanten Kanadas? Sitzen die Feinde Israels also in Washington, Jerusalem oder Ottawa und die Freunde des jüdischen Staates in Damaskus, Beirut und Teheran, die ja stets ähnlich votieren wie Berlin? Oder könnte es sein, daß die Kritik des SWC einfach nur zutrifft?

Ehre, wem Ehre …

Das kurz vor seinem Ende stehende Jahr 2019 war von einer weiteren Zunahme des Antisemitismus in aller Welt geprägt. Und so dürfte es auch in den vergangenen Tagen keine allzu leichte Aufgabe für das Simon Wiesenthal Center gewesen sein, aus all den Meldungen über antisemitische Vor- und Ausfälle die zehn bedeutendsten für seine jährliche »Hitparade des Antisemitismus« auszuwählen.

In diesem Jahr gehört Christoph Heusgen zu den »Preisträgern«, christdemokratischer Politiker, der lange die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beraten hat und Deutschland derzeit bei den Vereinten Nationen vertritt. Als deutscher Botschafter bei der Weltorganisation stimmte Christoph Heusgen auch 2019 wieder vielen antiisraelischen Beschlüssen zu, wie das SWC seine Plazierung begründet.

Und in der Tat muß man nicht lange nach Belegen suchen, die die Erklärung des Simon Wiesenthal Centers stützen: Erst wenige Tage ist es her, daß Deutschland in der Vollversammlung der Vereinten Nation eine Resolution unterstützte, die zum Boykott von Juden aufruft. Im März setzte Christoph Heusgen in einer Rede den Terror der Hamas mit israelischen Sicherheitsmaßnahmen gleich.

In Berlin wies man unterdessen die Plazierung Christoph Heusgens durch die in Los Angeles beheimatete NGO – er ist der erste Diplomat der Bundesrepublik Deutschland auf der SWC-Liste – mit der Begründung zurück, er stimme »auf Weisung der Bundesregierung« ab. Recht hat Berlin damit: Nicht Christoph Heusgen sollte »ausgezeichnet« werden, sondern die Regierung Angela Merkels.