Der Deutsche Bundestag hat mehrheitlich eine Resolution beschlossen, mit der die Parlamentarier die »gezielte und massenhafte Tötung von Menschen durch Hunger« in der Ukraine durch die »politische Führung der Sowjetunion unter Josef Stalin« als einen »Völkermord« bewerten und verurteilen wollen, der »in Deutschland und der Europäischen Union [..] bislang nur wenigen Menschen bekannt« sei.
Erzielte eine im Dezember 2018 beim deutschen Parlament eingereichte Petition, mit der die Volksvertreter aufgefordert wurden, den Holodomor als Genozid einzustufen, zwar auf die notwendige Anzahl an Unterzeichnern, dennoch befaßte sich der Bundestag aber nie mit ihr. Die Petition befindet sich noch immer »in der Prüfung«. Auch frühere Regierungen wollten sich zu dem Thema nicht festlegen.
Und in der Tat ist es unter Historikern umstritten, ob der Holodomor seriös als (versuchter) Völkermord zu bezeichnen ist. Es ist daher durchaus bemerkenswert, daß sich die Regierungsfraktionen sowie die Abgeordneten der Unionsparteien jetzt in der Lage zu einer recht unzweideutigen Einschätzung sahen. Gänzlich indiskutabel ist dabei freilich ihre Instrumentalisierung und Relativierung des Holocaust.
Ist es womöglich noch akzeptabel, leiten die Parlamentarier, wie sie es formulieren, »aus Deutschlands eigener Vergangenheit eine besondere Verantwortung ab, innerhalb der internationalen Gemeinschaft Menschheitsverbrechen kenntlich zu machen und aufzuarbeiten«, müssen sie sich gleichwohl fragen lassen, weshalb sie ihre Resolution erst und gerade jetzt einbringen wollten und beschließen konnten.
Auf einem Irrweg befinden sie sich aber jedenfalls, betonen sie – richtigerweise – die »historische Singularität« des Holocaust, gestatten sich dann aber, sie zu bestreiten, indem sie erklären, beide, Holodomor und Holocaust, gehörten in »in die Liste menschenverachtender Verbrechen totalitärer Systeme, in deren Zuge vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa Millionen Menschenleben ausgelöscht wurden«.
Damit leisten sie nicht bloß einer ahistorischen Gleichsetzung von Stalinismus und Nationalsozialismus Vorschub, sondern relativieren insbesondere die von Deutschen und ihren Helfershelfern begangenen Verbrechen am europäischen Judentum. Sie hätten besser vor ihrem Votum einen Blick in die ebenfalls am Mittwoch vorgestellte »Nationale Strategie gegen Antisemitismus« ihrer Bundesregierung riskiert.