Schlagwort: Tel Aviv

Wahnsinnsausbruch

Zahlreiche Menschen haben am vergangenen Wochenende in Tel Aviv gegen die von Benjamin Netanjahu gebildete neue israelische Regierung demonstriert. Mobilisiert von »linken« Gruppierungen und Organisationen, die von sich behaupten, für ein friedliches Zusammenleben von Arabern und Juden einzutreten, warfen die Protestierenden Jerusalem »Faschismus« vor und setzten die Regierung mit der SS gleich.

Während gar nicht so weit weg, Raketen sollen für die Strecke nur 4 Minuten benötigen, Menschen bei Protesten gegen ein islamfaschistisches Regime tatsächlich Gesundheit und Leben riskieren, müssen die Demonstranten von Tel Aviv nicht mit Verfolgung durch staatliche Schlägertrupps oder eine gelenkte Justiz rechnen, die auf durch Folter erpreßte »Geständnisse« und Schau- oder Geheimprozesse setzt.

Insofern haben die Protestierenden in Tel Aviv durch ihre Demonstration vorgeführt, wie irrsinnig ihre Vorwürfe gegen die seit wenigen Tagen amtierende Regierung sind. In der Tat beleidigten sie mit ihren so maß- wie geschmacklosen Parolen und Transparenten Menschen, die sich tatsächlich gegen Unrechtsregimes zur Wehr setzen (müssen), aber auch all jene, denen an einer demokratischen Zukunft Israels liegt.

Wer es als angemessen empfindet, israelische Regierungsmitglieder in die Nähe der SS zu rücken, der Organisation, die einen ganz wesentlichen Anteil an der Realisierung der »Endlösung« hatte, verharmlost oder leugnet damit den Holocaust. Es mag einige Gründe geben, die Regierung in Jerusalem kritisch zu sehen. Gestalten, die sie mit der SS gleichsetzen, möchte man freilich nicht einmal ignorieren müssen.

Demokratische Selbstverständlichkeit

In Tel Aviv haben am Wochenende viele Menschen gegen Benjamin Netanjahu protestiert, den amtierenden und – womöglich – nächsten Ministerpräsidenten Israels, dem die Demonstrierenden vorwarfen, das demokratische System ihres Staates zu gefährden. Derzeit bemühen der einstige Oppositionsführer Benny Gantz und der Likud-Politiker sich um die Bildung einer »Einheitsregierung«.

Im Zentrum der Verhandlungen der beiden Politiker steht dabei die Forderung Benjamin Netanjahus nach Zusicherungen, trotz des gegen ihn laufenden Verfahrens, in dem ihm Korruption vorgeworfen wird, im Amt bleiben zu können. Um diese Forderung des langjährigen israelischen Premiers drehten sich in der Hauptsache denn auch die Proteste, die deshalb durchaus einige Berechtigung hatten.

Denn in der Tat wäre es kaum zu rechtfertigen ließe Benny Gantz, der zudem einst angetreten war, den amtierenden israelischen Ministerpräsidenten abzulösen, nicht aber ihm zum Amtserhalt zu verhelfen, sich darauf ein, Benjamin Netanjahu eine weitgehende Immunität vor Strafverfolgung zuzusichern. Zur Demokratie gehört der Rechtsstaat, dessen Regeln selbst für Regierungsmitglieder gelten.

Die Möglichkeit, daß Benny Gantz in dieser Frage zu Zugeständnissen bereit sein könnte, ist ein anschaulicher Beleg dafür, wie wichtig gerade in Krisenzeiten ein demokratisches Grundrecht wie die Versammlungsfreiheit ist. Damit, daß seine Regierung den Protest zuließ, zeigte indes auch Benjamin Netanjahu, daß er zumindest kein ausgemachter Feind des demokratischen Systems Israels ist.

Ordinärer Haß

Mitte Mai wird in Tel Aviv der 64. Eurovision Song Contest ausgetragen. Gut 100 Tage vor dem Ereignis, das unter dem Motto »Wage zu träumen« (»Dare to dream«) steht, werden in den 42 teilnehmenden Staaten die Künstler bestimmt, die ihr Land bei dem Wettstreit vertreten sollen und darauf hoffen dürfen, es mit ihrem Sieg zum Austragungsort der 65. Auflage des Spektakels zu machen.

Seit das im vergangenen Jahr der israelischen Künstlerin Netta gelang, mobilisieren in ganz Europa Feinde des jüdischen Staates gegen den ESC in Tel Aviv und schrecken in ihrem von Antisemitismus und Homophobie geprägten Haß auch nicht davor zurück, Teilnehmern Gewalt bis hin zum Mord anzudrohen, wie etwa der 19 Jahre alte französische Sänger Bilal Hassani berichten kann.

Im britischen Guardian springen den gewaltbereiten Hetzern derweil allerlei kulturschaffende Antisemiten bei, die im Namen von – ausgerechnet – Zivilisation und Menschenrechten an die British Broadcasting Company (BBC) appellieren, doch noch für eine Verlegung des ESC zu sorgen oder den Wettbewerb zu boykottieren. Unterzeichnet ist das Pamphlet von den üblichen Berüchtigten.

Natürlich schaffen es Peter Gabriel, Ken Loach, Roger Waters et al. nicht, mit auch nur einem Wort sich von jener Hetze und Gewalt zu distanzieren, mit der Künstler wie Bilal Hassani sich konfrontiert sehen. Und das verrät nicht nur, wie gleichgültig diesen Gestalten die Werte sind, auf die sie sich zu berufen wagen, sondern, daß Antisemitismus und Gewalt untrennbar zusammengehören.