Schlagwort: Vereinigte Königreich

Falsche Freunde

Wer sich solidarisch zeigen möchte mit den am 7. Oktober 2023 gewaltsam von islamistischen Terroristen und deren Helfershelfern aus Israel nach Gaza verschleppten Juden, kann dies durch das Tragen eines Abzeichens in der Form einer gelben Schleife tun, eine kleine Geste der Anteilnahme, zu der niemand gezwungen wird. Wer sie freilich in Jerusalem zeigt, sie am gleichen Tag in Ramallah aber verweigert, verspielt jede Glaubwürdigkeit.

Wollten der britische Außenminister David Lammy und sein französischer Amtskollege Stephane Sejourne mit ihrer jüngsten Reise in den Nahen Osten für eine »Deeskalation« werben, der Franzose sprach sogar von »Frieden«, für den »es nie zu spät« sei, stellten sie mit ihr nur ihre ganze Rückgratlosigkeit bloß. Trugen sie beim Treffen mit dem israelischen Außenminister Israel Katz die gelbe Schleife, nahmen sie sie für ihren Besuch in Ramallah ab.

Hätten die beiden »Spitzendiplomaten« ganz auf die Anstecknadel verzichtet, es wäre gewiß kaum aufgefallen. Sie aber da demonstrativ zu zeigen und – danach kaum weniger auffällig – dort eben nicht, das wirft selbstverständlich und erst recht Fragen danach auf, wie glaubwürdig David Lammys und Stephane Sejournes angebliche »Solidarität« mit Opfern des barbarischsten antisemitischen Pogroms seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist.

Ganz offenbar gilt sie, sofern überhaupt, zeitlich und örtlich begrenzt. Beim Plausch mit Mohammad Mustafa, dem »Ministerpräsidenten« des PLO-Regimes, sandten die europäischen Minister das Signal aus, daß ihnen die Opfer eines islamistischen Großverbrechens gleichgültig sind. Dabei wäre es gerade in Ramallah wichtig gewesen, sich zu zivilisatorischen Mindeststandards zu bekennen. David Lammy und Stephane Sejourne haben sie (und sich) verraten.

Leerformel

Vom jüngsten G7-Gipfel in Italien, der am Sonnabend endete, wußte die tagesschau zu melden, die Staats- und Regierungschef der G7-Staaten und ihre Gäste hätten sich auf die Forderung verständigt, »dass das UN-Palästinenserhilfswerk im Gazastreifen ungehindert arbeiten« können müsse, während Die Zeit berichtete, die G7-Staaten seien »zutiefst besorgt über die Folgen der laufenden Bodenoperationen in Rafah für die Zivilbevölkerung«.

Zugleich, ergänzt die Wochenzeitung, hätten die G7 die Regierung in Jerusalem aufgefordert, »alle Handlungen [zu] unterlassen, die die Autonomiebehörde« um »Palästinenserpräsident« Abu Mazen in Ramallah »schwächten«. Daß »die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der Gruppe der Sieben«, wie sie sich selbst nennen, Israel auch ihre »uneingeschränkte Solidarität und Unterstützung« zusicherten, war schon vergessen, kaum daß es notiert wurde.

Und auch »unser unerschütterliches Eintreten für Israels Sicherheit« schaffte es nicht in die Berichterstattung über das G7-Treffen. Denn selbstverständlich ahnen oder wissen Nachrichtenredakteure, was es bedeutet, folgen diesen Floskeln Sätze und Absätze voller Forderungen an »die Parteien« oder ganz ausdrücklich an Israel. Weder ist die »Solidarität« der G7 »uneingeschränkt«, noch ist ihr Bekenntnis zur Sicherheit Israels »unerschütterlich«.

Sie würden sonst nämlich nicht fordern, daß die UNRWA, ausgerechnet das berüchtigte »Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten«, das als deren »Zivilverwaltung« in Gaza mit der Hamas kollaboriert, »ungehindert« arbeiten können müsse, noch würden sie verlangen, daß Israel Ramallah dabei unterstützt, das Geld für dessen »Märtyrerrenten« einzutreiben, Prämien für gegen die Bevölkerung Israels gerichteten Terror.

Das Bekenntnis zum Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels verkommt, falls es das nicht ohnehin schon ist, zusehends zu einer Leerformel. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte und daher keiner Erwähnung wert, muß im Fall des jüdischen Staates noch immer bekräftigt werden. Daher aber wiegt es um so schwerer, wird das Bekenntnis gleich dementiert, kaum daß es wieder einmal in die Welt gesetzt wurde.

Verheerendes Zeichen

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat am Donnerstag mit großer Mehrheit die Mitgliedschaft der Russischen Föderation im »Menschenrechtsrat« der Weltorganisation »ausgesetzt«. Für den von den Regierungen in Washington und London initiierten »Ausschluß« Rußlands stimmten 93 Staaten, 24 votierten dagegen. 58 Mitglieder der in New York tagenden UN-Vollversammlung enthielten sich.

Damit gehört Moskau zwar weiterhin dem »Menschenrechtsrat« der Vereinten Nationen an, verliert aber bis zum regulären Ende seiner Mitgliedschaft, die der Kreml in Reaktion auf die Entscheidung derweil selbst beendete, alle damit verbundenen Rechte. Gegen den »Ausschluß« Moskaus aus dem UNHRC stimmten auch mehrere Mitglieder des in Genf tagenden Gremiums, darunter China und Kuba.

Wenn die Freudentränen bei der tagesschau und anderswo über das »klare Zeichen gegen Moskaus unerträglichen Feldzug« getrocknet sind, müssen London, Washington und alle Staaten, die sich ihrer Initiative angeschlossen haben, sich freilich Fragen stellen lassen: Weshalb betrieben oder betreiben sie nicht mit ähnlichem Engagement etwa den Ausschluß Pekings aus dem »Menschenrechtsrat«?

Bereits im Februar 2021 warf das niederländische Parlament in Den Haag Peking einen Völkermord an den chinesischen Uiguren vor. Dennoch gab es keine Initiative der Niederlande, deren Mitgliedschaft im UNHRC noch in diesem Jahr endet, die Aufnahme Chinas in das Gremium zu verhindern. Und es gibt keine Initiative Amsterdams, Chinas Mitgliedschaft, die bis 2023 andauert, vorzeitig zu beenden.

Selbstredend unternahmen und unternehmen auch London und Washington nichts, Moskau aus dem UNHRC zu suspendieren. Wiegen die Opfer eines chinesischen Völkermords weniger schwer als die russischer Kriegsverbrechen? Der Respekt vor Menschenrechten ist kein Aufnahmekriterium für den in »Menschenrechtsrat« in Genf, ihre Mißachtung sollte daher auch kein Grund für einen Rausschmiß sein.

Mit ihrer Entscheidung, die russische Mitgliedschaft in dem Gremium auszusetzen, zugleich jedoch nichts gegen die beispielsweise Chinas zu unternehmen, hat die UN-Vollversammlung ganz gewiß kein deutliches Signal für Menschenrechte ausgesendet. Tatsächlich hat sie mit ihrem Verzicht, Verstöße der anderen UNHRC-Mitglieder gegen die UN-Charta ähnlich zu ahnden, diese letztlich legitimiert.