Schlagwort: Weißrußland

Bigotte Heuchelei

In der Volksrepublik China sind am Freitag die Paralympischen Spiele 2022 offiziell eröffnet worden. Nicht mit dabei in Peking sind Sportler aus Rußland und Weißrußland, nachdem ihnen zuvor die Teilnahme unter neutraler Flagge zunächst gestattet und nach Boykottdrohungen anderer Delegationen, die offenbar ein Zeichen setzen wollten gegen »Putins Krieg« in der Ukraine, untersagt worden war.

Wie Andrew Parsons, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) erklärte, habe nach der ursprünglichen Entscheidung, die russischen und weißrussischen Athleten zu den Wettkämpfen zuzulassen, »eine ›sehr hohe Zahl‹ an Komitees, Mannschaften und Athleten [..] mit dem Boykott der Spiele gedroht«, »hinter den Kulissen« sollen auch Regierungen auf das IPC »eingewirkt« haben.

Mit ihrem »Protest« stellen die beteiligten Sportler und ihre Verbände sich freilich ein Armutszeugnis aus: Während sie erfolgreich den Ausschluß russischer und weißrussischer Sportler erzwangen, hatten und haben sie ganz offenkundig nicht die Courage, sich ähnlich engagiert gegen die Volksrepublik China als Austragungsort der Paralympics 2022 einzusetzen. Sie entlarven sich selbst als Heuchler.

Es ist schlicht wenig überzeugend, einerseits, wenn es um den Austragungsort der Wettkämpfe geht, mit »unpolitischem« Sport zu argumentieren, andererseits, bei der Teilnahme russischer und weißrussischer Athleten, aber sehr wohl politisch zu agieren. Mit ihren Boykottdrohungen zeigten Sportler und Verbände, was auch mit Blick auf die Vergabe der Paralympics an Peking möglich gewesen wäre.

Die Sportler und nationalen Paralympischen Verbände, die sich für den Ausschluß der Delegationen aus Rußland und Weißrußland eingesetzt haben, haben damit endgültig auch ihre Teilnahme an den Wettkämpfen in und um Peking politisiert, sie können sich nicht mehr mit einer angeblichen »Unschuld« des Sports herausreden. Sie sind mit ihrer bereitwilligen Teilnahme Komplizen des Regimes von Peking.

Europäische Werte

Die Europäische Union erkennt Aljaksandr Lukaschenka nicht als Präsidenten Weißrußlands an. Wie der Deutschlandfunk meldet, ist die EU nicht nur überzeugt, daß der Ausgang der Präsidentschaftswahl am 9. August das Ergebnis von Manipulationen und Fälschungen ist, auch »der sogenannten Amtseinführung« Aljaksandr Lukaschenkas am Mittwoch fehle es »an jeglicher demokratischer Legitimität«.

Die Entschlossenheit der Europäer, gegen das von ihnen beklagte Unrecht vorzugehen, kennt allerdings Grenzen: Auf Sanktionen gegen Aljaksandr Lukaschenka konnten sie sich nicht verständigen. Ohnehin müssen die öffentlichen Stellungnahmen aus der Europäischen Union in der Sache verwundern. Sie unterhält beste Beziehungen zu vielen Regimes, denen jede demokratische Legitimität abgeht.

In Ramallah etwa »regiert« ein »Präsident«, der sich zuletzt vor nunmehr eineinhalb Jahrzehnten in manipulierten Wahlen einem deshalb scheindemokratischen Votum stellte – und »gewählt« wurde er für eine vierjährige Amtszeit. Dennoch erfreut sich Abu Mazen steter großzügiger Unterstützung aus Europa. Kaum eine Woche vergeht ohne die Ankündigung neuer Millionenzahlungen an Ramallah.

Und erst am am Tag »der sogenannten Amtseinführung« Aljaksandr Lukaschenkas rief der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier bei »Präsident« Abu Mazen an, um sich von dem über »die jüngsten politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit der palästinensischen Sache« informieren zu lassen, wie regimeeigene Medien berichten. In Minsk wird Frank-Walter Steinmeier wohl nicht anrufen.

Freilich, es gibt dafür vermutlich auch keinen guten Grund. Das gilt jedoch auch für Anrufe in Ramallah und erst recht für Millionentransfers an das Regime dort. Wer dort aber gar nicht auf den Gedanken kommt, fehlende demokratische Legitimität zu beklagen, wirkt unglaubwürdig, beruft er sich da auf sie. Mit ihren doppelten Standards macht die Europäische Union sich einmal mehr lächerlich.